In zweitägigen Verhandlungen hat die Regierungskoalition ein umfassendes Paket zur Bewältigung der sich aus der Corona-Krise ergebenden wirtschaftlichen Auswirkungen geschnürt. Für die Praxis überraschend ist eine allgemeine Absenkung des Umsatzsteuersatzes beschlossen worden, die zum 1.7.2020 in Kraft tritt und dann bis 31.12.2020 – also auf 6 Monate – befristet ist. Bundestag und Bundesrat haben in Sondersitzungen am 29.6.2020 das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise beschlossen. Der Finanzausschuss des Bundestags hatte an dem in erster Lesung verabschiedeten Gesetz keine Änderungen im Bereich der Umsatzsteuer vorgenommen. Das Gesetz ist am 30.6.2020 im BGBl verkündet worden. Zeitnah dazu hat die Finanzverwaltung das endgültige BMF-Schreiben zur Umsetzung der Steuersatzabsenkung veröffentlicht.

Die Absenkung wird über § 28 Abs. 1 - 3 UStG umgesetzt. Unabhängig von der Frage, ob die Umsatzsteuer ein geeignetes Instrument für kurzfristige Nachfragebelebungen sein kann, stellt eine auf einen kurzen Zeitraum beschränkte Absenkung des Steuersatzes die Unternehmen und die Beratungspraxis vor erhebliche Herausforderungen.

Die jetzt umgesetzte Änderung bei den Umsatzsteuersätzen ist in mehrfach Hinsicht einmalig: Zum ersten Mal seit Einführung des heute gültigen Umsatzsteuersystems mit Vorsteuerabzugsberechtigung zum 1.1.1968[1] kommt es zu einer Absenkung des Umsatzsteuersatzes. Einmalig ist auch, dass eine flächendeckende Änderung des Steuersatzes bei der Umsatzsteuer nur für eine kurze Zeit Anwendung finden soll.

Die letzte grundsätzliche Änderung des Steuersatzes– von Ausnahmen der Anpassung in Einzelfällen in den vergangenen Jahren einmal abgesehen – erfolgte zum 1.1.2007 – damals mit einer Anhebung des Regelsteuersatzes von 16 % auf 19 %. Alleine die Umsetzung dieser Änderung führte in der Praxis zu vielen Abgrenzungsfragen, Anpassungsschwierigkeiten und Auslegungsproblemen. Nun wird die temporäre Absenkung des Umsatzsteuersatzes sowohl bei der Absenkung zum 1.7.2020 und dann bei (Wieder)Anhebung zum 1.1.2021 zu diesen Übergangsschwierigkeiten führen.

 
Praxis-Tipp

Leistungen an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger

Soweit Leistungen an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausgeführt werden, ist es egal, ob die Leistungen vor oder nach den jeweiligen Steuersatzänderungen ausgeführt werden. Es ist in diesen Fällen nur auf die richtige Ausstellung der Rechnungen zu achten. Werden Leistungen aber an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger ausgeführt, sollte die Leistung möglichst in der Zeit zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 ausgeführt werden.

Grundsätzlich gilt:

  1. Regelsteuersatz[2]: Für alle bis zum 30.6.2020 ausgeführten Umsätze gilt der Regelsteuersatz von 19 %; für alle in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 ausgeführten Leistungen gilt ein Regelsteuersatz von 16 %[3] und ab dem 1.1.2021 soll dann wieder der (alte) Regelsteuersatz von 19 % gelten.
  2. Ermäßigter Steuersatz: Für alle bis zum 30.6.2020 ausgeführten Umsätze gilt in den in § 12 Abs. 2 UStG aufgeführten Sonderfällen der ermäßigte Steuersatz von 7 %; für alle in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 ausgeführten Leistungen gilt ein ermäßigter Steuersatz von 5 %[4] und ab dem 1.1.2021 soll dann wieder der (alte) ermäßigte Steuersatz von 7 % gelten.
 
Wichtig

Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen

Besondere Herausforderungen ergeben sich dabei für Unternehmer, die Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen ausführen: Bis 30.6.2020 unterliegen ihre Leistungen dem Umsatzsteuersatz von 19 %, ab 1.7.2020 dann einer ermäßigten Umsatzsteuer von 5 % (soweit Speisen abgegeben werden), vom 1.1.2021 bis 30.6.2021 einem ermäßigten Steuersatz von 7 % und dann (aus heutiger Sicht) ab dem 1.7.2021 wieder dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 %.

Hinweis: Die Finanzverwaltung[5] lässt für Kombiangebote aus Speisen und Getränken (z.B. Buffets, All-Inclusive-Angebote) zu, dass der (nicht begünstigte) Getränkeanteil pauschal mit 30 % des Pauschalpreises angesetzt wird. Für Servicepauschalen bzw. Business-Packages im Rahmen von Hotelübernachtungen wird außerdem der pauschale Anteil der nicht ermäßigten Leistungen lt. Abschn. 12.16 Abs. 12 Satz 2 UStAE von 20 % auf 15 % des Pauschalpreises reduziert. Beide Regelungen gelten befristet vom 1.7.2020 - 30.6.2021.

 
Praxis-Tipp

Keine Anpassung bei Pauschalsätzen

Die Steuersatzänderung gilt auch für die Einfuhrumsatzsteuer. Eine Anpassung der Durchschnittssätze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe[6] oder für die Vorsteuerpauschalierung[7] ist nicht erfolgt. Lediglich im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Durchschnittssätze wird bei nicht begünstigten holzwirtschaftlichen Produkten und alkoholischen Getränken im zweiten Halbjahr 2020 auch der abgesenkte Regelsteuersatz von 16 % angewendet.[8]

[1] In den alten Bundesländern.
[3] § 28 Abs. 1 UStG n. F.
[4] § 28 Abs. 2 UStG n.F.

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