In der Steuerbilanz kann die Huber GmbH die erworbene Software entweder

  1. über die Nutzungsdauer von 3 Jahren abschreiben analog zur Handelsbilanz oder
  2. die Abschreibungsregelung für digitale Wirtschaftsgüter anwenden. Nach dem BMF-Schreiben vom 22.2.2022[1] kann für Computerhardware sowie für Betriebs- und Anwendersoftware (auch ERP-Software) eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 1 Jahr zugrunde gelegt werden. Das BMF-Schreiben vom 22.2.2022 ersetzt das BMF-Schreiben vom 26.2.2021[2], das noch viele Anwendungsfragen offen ließ.

Um die Auswirkungen auf den Gewinn in der Steuerbilanz zu analysieren, rechnet der Jahresabschlussersteller der Huber GmbH beide Optionen durch. Dabei berücksichtigt er auch die Auswirkung auf den Ausweis von latenten Steuern in der Handelsbilanz. Da die Huber GmbH als keine Kapitalgesellschaft nicht zur Anwendung des § 274 verpflichtet ist, wendet der Jahresabschlussersteller § 274 HGB lediglich freiwillig an, was nach allgemeinerAuffassung als zulässig erachtet wird.[3] Hintergrund der freiwilligen Anwendung des § 274 HGB durch die Huber GmbH ist die verbreitete Auffassung, dass bilanzierende Kaufleute, die § 274 HGB nicht anwenden müssen und auch nicht freiwillig anwenden, eine Rückstellung für passive latente Steuern bilden müssen, wenn die Voraussetzungen des § 249 HGB erfüllt sind.[4] Davon ist auszugehen, wenn die am Bilanzstichtag bestehenden Differenzen zwischen handelsbilanziellem Wert und steuerlichem Wert sich im Zeitablauf (automatisch) abbauen und insgesamt zu einer Steuerbelastung führen. Da die Rückstellungspflicht aus § 249 HGB abgeleitet wurde, führt diese Auffassung dazu, dass letztlich alle bilanzierenden Kaufleute Verbindlichkeitsrückstellungen für passive latente Steuern nach § 249 HGB ausweisen müssen. Um die aktiven latenten Steuern ebenfalls ausweisen zu können, wendet die Huber GmbH § 274 HGB freiwillig an.

[3] Vgl. hierzu Grottel/Larenz, Beck'scher Bilanzkommentar, § 274 HGB, 12. Aufl., Rz. 85.
[4] Vgl. IDW RS HFA 7 n. F., Rz. 26 in Bezug auf Personengesellschaften; Grottel, Beck'scher Bilanzkommentar, § 274a HGB, 12. Aufl., Rz. 6 m. w. N.

2.2.1 Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 3 Jahren (Option a)

Wird die handelsrechtliche Abschreibung ohne Anpassung in die Steuerbilanz übernommen, erfolgt auch in der Steuerbilanz eine Abschreibung über die Nutzungsdauer von 3 Jahren. In diesem Fall entspricht die handelsrechtliche Abschreibung der steuerlichen Abschreibung (AfA). Zwischen beiden Rechenwerken entstehen keine Unterschiede:

 
Jahr Buchwert 31.12. Handelsbilanz Buchwert 31.12. Steuerbilanz Differenz
1 3.300 3.300 0
2 2.100 2.100 0
3 900 900 0
4 0 0 0

Bei dieser Vorgehensweise sind keine Korrekturen in der steuerlichen Überleitungsrechnung notwendig. Infolgedessen ergeben sich auch keine Auswirkungen auf die Bildung latenter Steuern in der Handelsbilanz.

2.2.2 Abschreibung über 1 Jahr gem. BMF-Schreiben v. 22.2.2022 (Option b)

Nach dem BMF-Schreiben v. 22.2.2022 kann für die nach § 7 Abs. 1 EStG anzusetzende Nutzungsdauer grundsätzlich ein Zeitraum von 1 Jahr unterstellt werden. Nach Rz. 1.2 des BMF-Schreibens kann der Bilanzierende von dieser Annahme auch abweichen und eine längere (im Einzelfall ggf. realistischere) Nutzungsdauer zugrunde legen.

Bei Anwendung der Regelung des BMF-Schreibens sind u. a. folgende Aspekte zu beachten:

  • Da die Huber GmbH die Software unterjährig zum 22.10.01 erworben hat, stellt sich die Frage, ob die Anschaffungskosten im Jahr der Anschaffung (Jahr 01) komplett abgeschrieben werden dürfen oder ob die Abschreibung pro rata temporis auf die ersten beiden Jahre 01 und 02 zu verteilen ist. Die Huber GmbH hat das BMF-Schreiben vom 22.2.2022 sowie die Vorversion des Schreibens vom 26.2.2021 dahingehend analysiert. Nach der ersten Version des BMF-Schreibens vom 26.2.2021 war diese Frage offen. Erst das zweite, aktuell gültige BMF-Schreiben vom 22.2.2022 nimmt dazu in Rz. 1.4 wie folgt Stellung: "Es wird nicht beanstandet, wenn abweichend zu § 7 Absatz 1 Satz 4 EStG die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe vorgenommen wird". Dies interpretiert die Huber GmbH als Wahlrecht, entweder im Jahr der Anschaffung (Jahr 01) die vollen Anschaffungskosten abzuschreiben oder aber die Abschreibung pro rata temporis über die Jahre 01 und 02 monatsgenau zu verteilen. Sie beschließt in ihrer Modellrechnung die Vollabschreibung im Jahr 01 zu berücksichtigen.
  • Für die Handelsbilanz ist die grundsätzliche Annahme einer Nutzungsdauer von 1 Jahr nicht anwendbar, da die Regelung des BMF-Schreibens nur für die steuerliche Gewinnermittlung angewendet werden darf. In der Handelsbilanz ist die zu schätzende betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer maßgebend. Sofern diese länger als 1 Jahr ist, muss diese in der Handelsbilanz der Bemessung der jährlichen Abschreibungsbeträge zugrunde gelegt werden. Daher belässt die Huber GmbH die Nutzungsdauer in der Handelsbilanz bei 3 Jahren.
  • Als Folge der Anwendung einer Nutzungsdauer von 1 Jahr für die Bemessung der...

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