Das in § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a. F. geregelte Prinzip der umgekehrten Maßgeblichkeit gab vor, dass steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben sind. Danach war ein steuerrechtliches Wahlrecht nur ausübbar, wenn es spiegelbildlich in der Handelsbilanz nachvollzogen wurde. Die umgekehrte ("formelle") Maßgeblichkeit, wonach steuerrechtliche Ansatz- und Bewertungswahlrechte nur in Übereinstimmung mit der Handelsbilanz ausgeübt werden konnten, ist durch Streichung des § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a. F. für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2008 enden, aufgehoben worden.

Das Maßgeblichkeitsprinzip in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ("materielle Maßgeblichkeit") ist um den Zusatz "es sei denn", im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Wertansatz gewählt" ergänzt worden. Nach dem geänderten § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist für den Schluss des Wirtschaftsjahrs das Betriebsvermögen anzusetzen,[1] das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.

Das hat folgende Konsequenzen:

  • Wahlrechte, die nur steuerrechtlich bestehen, können nach § 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EStG unabhängig vom handelsrechtlichen Wertansatz ausgeübt werden. Die Ausübung des steuerlichen Wahlrechts wird insoweit nicht nach § 5 Absatz 1 Satz 1 1. Halbsatz EStG durch die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB beschränkt.[2]
  • Wahlrechte, die sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich bestehen, können in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz [3] unterschiedlich ausgeübt werden.[4]

Folge: Die Abschreibungsbeträge und damit die Wertansätze in Handels- und Steuerbilanz können in diesen Fällen voneinander abweichen. Allerdings müssen die betroffenen Wirtschaftsgüter in besondere Verzeichnisse aufgenommen werden.[5]

Nicht erfasst von § 5 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz EStG ist die Schätzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, da diesbezüglich kein Wahlrecht besteht.[6]

[6] So Bartone, in Korn, EStG, 1. Aufl. 2000, 133. Lieferung, § 7 Rn. 12 (133. Ergänzungslieferung, Juni 2021).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge