Leitsatz

1. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1999 normiert mit der Anordnung des Teilwertansatzes einen eigenen Besteuerungstatbestand, soweit die dort genannten Übertragungen weder als Entnahme noch als Einlage zu qualifizieren sind.

2. Der Teilwert ist auch dann anzusetzen, wenn er niedriger als der Buchwert ist.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3, Abs. 5 Satz 3, § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG 1999, , § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 2001, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, § 14 Nrn. 1 bis 3 KStG, § 76 Abs. 1, § 82, § 107, § 155 Satz 1 FGO, § 295, § 403 ZPO

 

Sachverhalt

Eine OHG hatte aufgrund eines Übernahmeangebots im Jahr 1998 ca. 55 % der Aktien einer AG zum Preis von ca. 107 EUR erworben. Im September 2000 veräußerte die OHG die Aktien mit Wirkung zum Jahresende an ihre Mehrheitsgesellschafterin. Dabei wurde ein Preis von 98 EUR unter der Bedingung vereinbart, dass jede Partei bis zum 23.12.2000 vom Vertrag zurücktreten konnte, wenn eine unabhängige WP-Gesellschaft die Angemessenheit des Preises nicht bestätigen sollte. Das WP-Gutachten bestätigte jedoch die Angemessenheit auf der Grundlage eines abgezinsten Unternehmenswerts von umgerechnet ca. 95 EUR zuzüglich eines Dividendenanspruchs von ca. 1 EUR je Aktie.

Das FA war der Auffassung, der buchmäßig aus dem Aktienverkauf resultierende Verlust sei durch eine Entnahme in gleicher Höhe auszugleichen. Denn der Buchwert habe dem Teilwert der Aktien entsprochen, so dass ein verbilligter Verkauf an die Gesellschafterin stattgefunden habe. Das Gutachten der WP-Gesellschaft komme zu einem zu niedrigen Wert, weil im Rahmen der Unternehmensbewertung ein Wachstumsabschlag hätte berücksichtigt werden müssen.

Das FG (FG Köln, Urteil vom 1.3.2012, 10 K 688/10, Haufe-Index 3019108, EFG 2012, 1485) bestätigte die Auffassung des FA. Schon bei Berücksichtigung eines Wachstumsabschlags von nur 1 % ergebe sich ein um 23 EUR höherer und damit den Buchwert sogar überschreitender Teilwert. Dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens folgte das FG nicht.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Das FG hätte nicht von genügender eigener Sachkunde ausgehen dürfen und deshalb dem Beweisantrag nachgehen müssen. Das Gutachten zur Höhe des Teilwerts sei jetzt im zweiten Rechtsgang einzuholen. Auf den Teilwert komme es auch dann an, wenn die Aktien nach dem Verkauf Sonderbetriebsvermögen der Mehrheitsgesellschafterin bei der OHG geworden sein sollten. Denn nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in der für 2000 geltenden Fassung sei für die Übertragung in das Sonderbetriebsvermögen der Teilwert anzusetzen, was auch einen niedrigeren Teilwert einschließe.

 

Hinweis

1. Neben verfahrensrechtlichen Ausführungen zu der Frage, wann ein FG dem Antrag auf sachverständige Begutachtung des Unternehmenswerts nachkommen muss, betrifft das Urteil materiell-rechtlich die in den Leitsätzen angesprochene Frage nach der Auslegung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in dessen 1999 und 2000 geltenden Fassung.

2. Während § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG heutiger Fassung für die dort genannten Übertragungen zwingend den Ansatz des Buchwerts regelt, sah die Vorgängerfassung der Norm genau umgekehrt die verpflichtende Bewertung mit dem Teilwert vor. Einschlägig für den Urteilsfall konnte nur die Variante "Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Sonderbetriebsvermögen bei derselben Mitunternehmerschaft" sein.

Wie der BFH in einem Urteil vom 19.9.2012, IV R 11/12 (BFH/NV 2012, 1880, BFH/PR 2012, 387) entschieden hat, ist eine solche Übertragung nach allgemeinen Grundsätzen ein gewinnneutraler Vorgang, weil das Wirtschaftsgut das aus Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen bestehende Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft nicht verlässt; es liegt demnach keine Entnahme vor, die evtl. zur Aufdeckung stiller Reserven führen könnte. Die nach heutiger Fassung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG für solche Fälle vorgesehene Bewertung mit dem Buchwert ist folglich nur deklaratorisch.

Wenn nun aber § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1999 regelt, dass für die Übertragung der Teilwert anzusetzen ist, muss darin ein eigenständiger Besteuerungstatbestand für derartige Übertragungen gesehen werden, auch wenn § 6 EStG ansonsten keine Gewinnrealisierungstatbestände, sondern lediglich Bewertungsvorschriften enthält.

3. Findet eine Übertragung vom Gesamthandsvermögen ins Sonderbetriebsvermögen nach heutiger Gesetzesfassung zum Buchwert statt, werden dabei weder stille Reserven noch stille Lasten realisiert. Demgegenüber führt der zwingende Teilwertansatz nach der Gesetzesfassung für 1999 und 2000 zur Realisierung stiller Reserven, konsequenterweise aber dann auch zur Realisierung stiller Lasten.

Es ist zwar zu bezweifeln, dass der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1999 eine Realisierung stiller Lasten im Auge hatte. Denn erklärtermaßen sollte die Regelung zur "Abschaffung" des Mitunternehmererlasses dienen, der wegen der Vermeidung einer Aufdeckung stiller Reserven kritisch betrachtet wurde. Eine e...

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