Zusammenfassung

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) wurde verabschiedet, um die nachhaltige Bewirtschaftung internationaler Lieferketten und globaler Wertschöpfungsnetzwerke zu regeln. Hieraus stellen sich die Fragen, wie sich das LkSG auf die nachhaltige Bewirtschaftung von Lieferketten auswirken wird und mit welchen Handlungsansätzen die betroffenen Unternehmen dem LkSG entsprechen können. I. R. e. empirisch-qualitativen Forschungsarbeit liefert der Beitrag erste Antworten auf diese Fragen und gibt Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis.

1 Reaktion auf globale Vernetzung

 

Rz. 1

Unternehmen binden Lieferanten und Dienstleistungsbetriebe kooperativ in die Wertschöpfungsabläufe ein, mit denen sie für Endverbrauchermärkte Güter erzeugen oder Leistungen erbringen. Hierdurch entstehen unternehmensübergreifende Lieferketten, die sowohl für Industriezweige des produzierenden Gewerbes als auch für Dienstleistungssektoren eine hohe wirtschaftliche Relevanz besitzen. Mittlerweile konkurrieren nicht mehr nur einzelne Unternehmen, sondern ganze Wertschöpfungsnetzwerke um Erträge und Marktanteile. Hierbei bildet das Supply Chain Management, also die strukturierte und abgestimmte unternehmensübergreifende Zusammenarbeit, einen Wettbewerbsvorteil, dem eine besondere Bedeutung für den gemeinsamen ökonomischen Erfolg aller Akteure der Lieferkette zukommt.

 

Rz. 2

Die organisationale Verbindung der Unternehmen wird begleitet von einer stetig wachsenden geografischen Vernetzung. In weltweit verbundenen Wertschöpfungsnetzwerken kooperieren multinationale Großkonzerne mit regional ansässigen kleinen und mittleren Unternehmen. Teile der Wertschöpfung werden geografisch verlagert (Offshoring), und in entfernteren Ländern und Regionen werden neue Beschaffungs- und Absatzmärkte erschlossen. Diese Entwicklung hin zu globalen Lieferketten wurde ermöglicht durch geopolitische Veränderungen mit sich öffnenden Märkten und Fortschritte in der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie zunehmende Automatisierung in Produktion und Logistik. Wesentliche Treiber dieser Entwicklung sind stark unterschiedliche Lohnkostenniveaus der einzelnen Länder und Regionen der Erde sowie (vergleichsweise) geringe Logistikkosten und schnellere Transportmittel, mit denen Güter und Dienstleistungen weltweit befördert werden können.

 

Rz. 3

Globale Lieferketten sehen sich konfrontiert mit steigenden ökologischen und sozialen Anforderungen seitens der Endverbrauchermärkte und der politischen Regulierungen, denen sie gerecht werden müssen. Ökologische Faktoren beinhalten u. a. geringere Emissionen (gemessen z. B. durch den CO2-Fußabdruck) und einen reduzierten Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen sowie eine verbesserte Entsorgung von Abfällen und einen höheren Grad der Wiederverwertung von Produkten und Rohstoffen (Recycling, Upcycling) i. R. d. Kreislaufwirtschaft. Soziale Faktoren ergeben sich u. a. aus den Arbeitsbedingungen der Belegschaft sowie den gesellschaftlichen Auswirkungen der Wertschöpfungsnetzwerke.

 

Rz. 4

Lieferketten i. S. d. Nachhaltigkeit zu betreiben, ist mittlerweile ein wettbewerbsentscheidender Faktor, der von unterschiedlichen Interessensgruppen beeinflusst und reguliert wird. Entsprechende Regulierungen globaler Wertschöpfungsaktivitäten sollen durch ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erfolgen, welches in Deutschland erlassen wurde, um Sorgfaltspflichten über Länder- und Unternehmensgrenzen hinweg zu regeln. Hieraus ergeben sich die für die Wissenschaft ebenso wie für die Unternehmenspraxis relevanten Fragen, wie sich das LkSG auf die nachhaltige Bewirtschaftung von Lieferketten auswirken wird und welche Handlungsoptionen die betroffenen Unternehmen haben, um dem LkSG zu entsprechen.

Der Beitrag greift diese Fragen auf. I. R. v. Experteninterviews werden Auswirkungen des LkSG auf das nachhaltige Wirtschaften in Lieferketten analysiert und Praktiken und Handlungsansätze untersucht, mit denen Unternehmen die Vorgaben und Anforderungen des LkSG erfüllen können.

2 Hintergrund der Anforderungen

2.1 Lieferketten und Supply Chain Management

 

Rz. 5

Durch Fließbandfertigung, Teilautomatisierung und Digitalisierung haben sich industrielle Fertigungssysteme von mechanisierten Manufakturbetrieben des 18. Jahrhunderts zu globalen Wertschöpfungsnetzwerken gewandelt. Mittlerweile stehen nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern konkurrierende Lieferketten im Wettbewerb um Marktanteile und Erträge.[1] Diese Netzwerke umfassen sämtliche Aktivitäten und Funktionen der Wertschöpfung von der Gewinnung der ursprünglichen Rohmaterialien bis hin zur Belieferung der Endverbraucher mit Fertigware oder Dienstleistungen.[2]

Ausgangspunkt sind sog. fokale Unternehmen, welche die Lieferkette wesentlich gestalten und somit eine führende Rolle innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks übernehmen, indem sie den Marktzugang sicherstellen und für Endkunden sichtbar sind, das Produkt gestalten und dessen grundsätzliche Eigenschaften festlegen und zudem Zulieferbetriebe auswählen und Distributionsnetzwerke festlegen.[3] Gleichwohl werden nicht ausschl. die operativen Wer...

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