Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Lohnverwendungsabrede: Spende eines Arbeitgebers aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs mit einem seiner Arbeitnehmer, konstitutive Verwendungsauflage, Lohnverzicht

 

Leitsatz (amtlich)

Verpflichtet sich ein Arbeitgeber im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs zu einer Spendenzahlung, ohne daß der Arbeitnehmer auf die Person des Spendenempfängers Einfluß nehmen kann, so enthält diese Vereinbarung noch keine zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führende Lohnverwendungsabrede.

 

Orientierungssatz

Entscheidend für die Annahme von Arbeitslohn ist, daß ein Vorteil als Frucht der Arbeitsleistung gewährt wird. Der dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendete Vorteil muß Entlohnungscharakter haben; der tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis allein reicht nicht aus. In den Genuß dieser Frucht kommt der Steuerpflichtige allerdings nicht nur dadurch, daß der Arbeitgeber den Lohn auszahlt oder überweist, sondern auch dadurch, daß der Arbeitgeber eine mit dem Arbeitnehmer getroffene Lohnverwendungsabrede (eine konstitutive Verwendungsauflage) erfüllt. Keinen Lohn erhält der Arbeitnehmer hingegen dann, wenn der Arbeitnehmer auf Lohn verzichtet und keine Bedingungen an die Verwendung der freigewordenen Mittel knüpft.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1, § 24 Abs. 1 Nr. 1; LStDV § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 11.11.1997; Aktenzeichen 8 K 7172/95)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1990 bei der A-KG als Prokuristin mit Generalvollmacht nichtselbständig tätig.

Im Herbst 1991 kam es über die Leitung der B-Geschäftsstelle zum Streit. Im Zuge der Auseinandersetzungen wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt. Die Klägerin machte geltend, daß die Kündigung unwirksam und auch sozial ungerechtfertigt sei. Vor dem Arbeitsgericht wurde folgender Vergleich geschlossen:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß ihr Arbeitsverhältnis zum 31.12.1991 beendet ist. Die Beklagte wird das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß abrechnen.

2. Die Beklagte wird bis zum 31.12.1992 eine Spende in Höhe von ... DM an die Stiftung C zahlen und den Nachweis der Spendenzahlung gegenüber der Klägerin innerhalb eines Monats erbringen.

3. Die Beklagte erteilt der Klägerin auf Wunsch ein qualifiziertes Zeugnis.

4. Damit ist der Rechtsstreit erledigt."

Der Arbeitgeber entrichtete den Betrag von ... DM am 22. Januar 1992 und erhielt auch eine entsprechende Spendenquittung. Die vergleichsweise Beendigung des Arbeitsgerichtsprozesses wurde bekannt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, daß es sich bei der Spende um Arbeitslohn handele. Das FA unterwarf nach Abzug eines steuerfreien Betrags gemäß § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ... DM dem ermäßigten Steuersatz.

Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Die Beweisaufnahme habe zur Überzeugung des Gerichts ergeben, daß die Spende weder als Ersatz für der Klägerin entgehende Einnahmen bestimmt gewesen sei noch als Entgelt für die Aufgabe oder Nichtausübung ihrer nichtselbständigen Tätigkeit. Der Arbeitgeber der Klägerin habe sich nicht zur Zahlung bereit erklärt, um der Klägerin etwas zugute kommen zu lassen. Er habe weder Ersatz für entgehende Einnahmen leisten wollen noch habe er damit die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erkaufen wollen. Die Vereinbarung habe der Beendigung des Prozesses und der Wiederherstellung des Rechtsfriedens dienen sollen. Die Klägerin habe weder "um des Entgelts willen" noch mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Begriff des Arbeitslohnes verkannt. Die Spende erweise sich bei objektiver Betrachtung als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft. Sie sei "wegen" der Auflösung des Dienstverhältnisses gezahlt worden. Zwischen dem Arbeitsgerichtsprozeß, der Auflösung des Dienstverhältnisses und der damit verbundenen Spende bestehe ein kausaler Zusammenhang. Auf das behauptete Motiv für die Vereinbarung der Spende komme es für die Annahme von Arbeitslohn nicht an. Auch der Wortlaut des Vergleichs spreche gegen die Begründung des FG. Der Arbeitslohn sei der Klägerin zugeflossen; sie habe über den Betrag wirtschaftlich verfügt, indem sie die Zahlung dieser Spende mit ihrem Arbeitgeber vereinbart habe. Zwar liege in dieser Vereinbarung zugleich ein Gehaltsverzicht, dieser führe jedoch zum Lohnzufluß, weil er mit einer gerichtlich einklagbaren Verwendungsauflage verknüpft gewesen sei (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Juli 1993 VI R 87/92, BFHE 171, 566, BStBl II 1993, 884).

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

1. Der dem Arbeitnehmer zugewendete Vorteil müsse Entlohnungscharakter haben; ein Schadensausgleich genüge nicht (BFH-Urteil vom 20. September 1996 VI R 57/95, BFHE 181, 298, BStBl II 1997, 144). Die Verpflichtung zur Spendenzahlung habe keinen Entlohnungscharakter.

2. Die Klägerin habe keinen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Abfindung besessen. Ihr sei es vielmehr darum gegangen, wegen der erlittenen Ehrverletzung dem Arbeitgeber eine Buße bzw. einen Denkzettel aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist im Ergebnis gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückzuweisen.

1. Die von dem Arbeitgeber übernommene Verpflichtung zur Spendenzahlung führt bei der Klägerin nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

a) Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt worden sind, gehören gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG) Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und sonstige Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Gemäß § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1990 (LStDV) sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Es ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden.

Entscheidend für die Annahme von Arbeitslohn ist danach, daß ein Vorteil als Frucht der Arbeitsleistung gewährt wird (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, BFHE 184, 474, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1997, 2016). Der dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendete Vorteil muß Entlohnungscharakter haben; der tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis allein reicht nicht aus (BFH-Urteil in BFHE 181, 298, BStBl II 1997, 144). In den Genuß dieser Frucht kommt der Steuerpflichtige allerdings nicht nur dadurch, daß der Arbeitgeber den Lohn auszahlt oder überweist, sondern auch dadurch, daß der Arbeitgeber eine mit dem Arbeitnehmer getroffene Lohnverwendungsabrede (eine konstitutive Verwendungsauflage) erfüllt (Giloy, Betriebs-Berater --BB-- 1984, 715). Keinen Lohn erhält der Arbeitnehmer hingegen dann, wenn der Arbeitnehmer auf Lohn verzichtet und keine Bedingungen an die Verwendung der freigewordenen Mittel knüpft (BFH-Urteile in BFHE 171, 566, BStBl II 1993, 884; vom 25. November 1993 VI R 115/92, BFHE 173, 292, BStBl II 1994, 424; zum Verzicht als Zuflußersatz vgl. auch BFH-Beschluß vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307).

b) Im Streitfall ist die Verpflichtung zur Spendenleistung nicht als konstitutive Verwendungsauflage zu beurteilen. In Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin weder eine geldwerte Position erhalten noch (unter Abkürzung des Zahlungswegs) über eine solche frei verfügt. Wie sich aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt ergibt, wurde im Rahmen des vor dem Arbeitsgericht erzielten Vergleichs vereinbart, daß der Arbeitgeber eine Spende an die Stiftung C leisten sollte; demgegenüber hatte die Klägerin verlangt, daß die Spende der Stiftung D zugute kommen solle. Bei dieser Gestaltung hat die Klägerin nicht über eine ihr zustehende Entschädigungsleistung im voraus verfügt. Bestätigt wird diese Beurteilung durch den Umstand, daß der Arbeitgeber auch nach außen hin als Spender auftrat und die erhaltene Spendenbescheinigung für seine Zwecke einsetzte. Die Klägerin hat damit nicht Lohn zugunsten einer eigenen Spende verwendet. Eine Lohnverwendungsabrede ist mit dieser Vereinbarung noch nicht getroffen worden; denn diese setzt stets die eigene Verfügung des Arbeitnehmers voraus (Giloy, BB 1984, 717). Die aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Möglichkeit, den Arbeitgeber zu einer Spendenzahlung veranlassen zu können, und die damit verbundene Genugtuung sind noch nicht als eigene Spendenleistung zu werten. Es handelt sich daher --ähnlich wie im Fall der Geistlichen (BFH-Urteil in BFHE 171, 566, BStBl II 1993, 884) oder der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes (BFH-Urteil in BFHE 173, 292, BStBl II 1994, 424)-- um einen (potentiellen) Lohnverzicht ohne eigene Verwendungsmöglichkeit und damit ohne Lohnverwendungsabrede.

 

Fundstellen

Haufe-Index 154352

BFH/NV 1999, 548

BStBl II 1999, 98

BFHE 187, 224

BFHE 1999, 224

BB 1999, 197

BB 1999, 244

BB 1999, 244-245 (Leitsatz und Gründe)

DB 1999, 193

DStR 1999, 108

DStRE 1999, 90

DStRE 1999, 90 (Leitsatz)

DStZ 1999, 338

HFR 1999, 1767

HFR 1999, 177

StE 1999, 71

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