Leitsatz (amtlich)

Die Steuerbehörden sind bei der Festsetzung des steuerlich anzusetzenden Mietwerts bei Arbeitnehmern überlassenen Dienstwohnungen nicht an die von kommunalen Stellen für Besoldungszwecke ermittelten örtlichen Mietwerte gebunden.

 

Normenkette

EStG §§ 8, 19 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin des Schulverbandes W. Dieser stellte in den Streitjahren 1969 und 1970 einigen Arbeitnehmern Dienstwohnungen zur Verfügung. Auf Grund der Feststellungen einer Lohnsteueraußenprüfung bei dem Schulverband vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die den Arbeitnehmern tatsächlich in Rechnung gestellte Miete habe in den Streitjahren unter der ortsüblichen Miete für vergleichbare Wohnungen gelegen. Das FA nahm hierauf den Schulverband durch Haftungsbescheid u. a. wegen der auf den Unterschiedsbetrag zwischen der tatsächlich verrechneten und der als ortsüblich angesehenen Miete entfallenden Lohnsteuer in Anspruch.

Gegen diesen Haftungsbescheid richtete sich die - mit Zustimmung des FA gemäß § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unmittelbar zum Finanzgericht (FG) erhobene - Klage. Die Klägerin trug vor: Für die Festsetzung der Miete sei der Gemeinderat nach § 2 Abs. 2 der Dienstwohnungsverordnung vom 9. November 1965 - DWVO - (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1966 S. 48 -GVBl NW 1966, 48 -) zuständig. Der örtliche Mietwert nach § 2 DWVO entspreche dem für die Besteuerung maßgeblichen Mietwert. Durch den Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 1969 S 2524 - 5 - V B - 2 seien die Schulträger verpflichtet, die Dienstwohnungsvergütungen unter steuerlichen Gesichtspunkten festzusetzen. Bei der Festsetzung der Dienstwohnungsvergütung handele es sich um einen Verwaltungsakt, der bis zu seiner Aufhebung Rechtswirkungen entfalte und auch vom FA zu beachten sei. Hieraus folge für den Streitfall, daß das FA bei Zweifeln an der Höhe der festgesetzten Mietwerte lediglich die kommunale Aufsichtsbehörde einschalten dürfe.

Das FG gab der Klage zum Teil statt und führte zur Begründung aus: Die Beweisaufnahme, insbesondere das von einem Sachverständigen eingeholte Gutachten, habe ergeben, daß der Schulverband der Arbeitnehmerin T die Wohnung zu einem unter dem üblichen Mittelpreis liegenden Mietzins überlassen habe. Der Unterschiedsbetrag zwischen der von dem Schulverband angerechneten Miete und dem höheren, von dem Sachverständigen ermittelten Mietwert sei nachträglich dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen.

Mit der Revision rügt die Klägerin, die Vorentscheidung verletze § 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 23 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBesG) vom 19. August 1965 (GVBl NW 1965, 258 f.) sowie die §§ 2 und 3 DWVO. Zu Unrecht gehe das FG davon aus, daß der übliche Mietpreis im Sinne des § 8 Abs. 2 EStG in jedem Fall durch die Finanzbehörden zu ermitteln und festzusetzen sei. Eine Ausnahme bestehe dann, wenn Landes- oder Gemeindebeamten Dienstwohnungen von Gemeinden zur Verfügung gestellt würden. In diesen Fällen hätten die nach den Vorschriften des kommunalen Verfassungsrechts zuständigen Stellen den üblichen Mittelwert festzusetzen (§ 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 DWVO). Zu Unrecht gehe das FA davon aus, daß die Zuständigkeitsregelung in den §§ 2 und 3 DWVO ausschließlich besoldungsrechtliche, nicht jedoch steuerrechtliche Wirkung habe. Aus § 23 LBesG und § 2 DWVO ergebe sich, daß die Finanzbehörden an den von der Gemeinde ermittelten örtlichen Mietwert gebunden seien.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Lohnsteuerhaftungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revsion ist nicht begründet.

Das FG hat ohne Rechtsirrtum den Unterschiedsbetrag zwischen dem nach § 2 DWVO festgesetzten und dem gemäß § 8 Abs. 2 EStG ermittelten Mietwert für die der Arbeitnehmerin T überlassene Wohnung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt. Die Inanspruchnahme der Klägerin wegen der hierauf entfallenden Lohnsteuer ist nicht zu beanstanden.

1. Soweit die Klägerin die fehlerhafte Auslegung des § 23 LBesG und der §§ 2 ff. DWVO rügt, ist die Revision schon deshalb unbegründet, weil es sich bei diesen Vorschriften nicht um Bundesrecht handelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Oktober 1971 II R 104/70, BFHE 103, 541, BStBl II 1972, 183).

2. a) Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören neben den Gehältern und Löhnen auch "andere Bezüge und Vorteile" aus einem Dienstverhältnis (§§ 19 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 EStG). Überläßt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer verbilligt eine Wohnung, so liegt darin ein geldwerter Vorteil, der dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Dienstverhältnisses zufließt. Einnahmen dieser Art sind als Sachbezug gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts und dem dem Arbeitnehmer in Rechnung gestellten Betrag anzusetzen. Üblicher Mittelpreis des Verbrauchsorts ist bei einer zur Nutzung überlassenen Wohnung die ortsübliche Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung. Diese ist im Wege der Schätzung zu ermitteln (§ 217 der Reichsabgabenordnung - AO -). Die Schätzung ist als Tatsachenwürdigung für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, es sei denn, sie enthält einen Rechtsirrtum, verstößt gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze oder beruht auf einem Verfahrensmangel (BFH-Urteil vom 1. Dezember 1967 III 19/65, BFHE 91, 254, BStBl II 1968, 332). Im Revisionsverfahren ist daher nur zu prüfen, ob ein zulässiger Maßstab angewendet worden und ob das Schätzungsergebnis möglich ist (BFH-Urteil vom 12. September 1969 VI R 336/67, BFHE 96, 527, BStBl II 1969, 727).

b) Im Streitfall hat das FG der Berechnung des geldwerten Vorteils den von einem Sachverständigen ermittelten ortsüblichen Mietwert zugrunde gelegt. Die Klägerin selbst hat im Revisionsverfahren nicht bestritten, daß der vom FG angesetzte Wert der ortsüblichen Miete entspricht. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, daß die Ermittlung des ortsüblichen Mietwerts gegen die Denkgesetze oder die Erfahrungssätze verstößt oder auf einem Verfahrensmangel beruht. Die Schätzung ist daher für den Senat bindend.

c) Dem Ansatz des Sachbezugs mit dem gemäß § 8 Abs. 2 EStG vom FA selbständig ermittelten üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts steht nicht entgegen, daß in Fällen, in denen eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband einem Gemeindebediensteten eine Dienstwohnung zur Verfügung stellt, die Ermittlung des örtlichen Mietwerts (§ 2 DWVO) eine Aufgabe der nach den Vorschriften des kommunalen Verfassungsrechts zuständigen Stelle ist.

aa) Die Vorentscheidung enthält keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, ob die Arbeitnehmerin T zu dem Personenkreis gehört, auf den die Dienstwohnungsverordnung anwendbar ist. Der Senat kann indes diese Frage offenlassen, da eine Anwendung der Dienstwohnungsverordnung für die Höhe des steuerlich maßgebenden Sachbezugswerts (§ 8 Abs. 2 EStG) ohne Bedeutung ist.

bb) Die Finanzbehörden haben den üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts (§ 8 Abs. 2 EStG) selbständig zu ermitteln (§ 204 Abs. 1 AO). Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, daß die Ermittlung und Festsetzung des örtlichen Mietwerts nach den Vorschriften der Dienstwohnungsverordnung die Finanzbehörden bindet. Nach § 3 Abs. 1 DWVO dient die Festsetzung des örtlichen Mietwerts (§ 2 DWVO) der Ermittlung der Dienstwohnungsvergütung zum Zwecke der Berechnung der Dienstbezüge. Daß ein nach § 2 DWVO festgesetzter Mietwert zugleich als der nach § 8 Abs. 2 EStG anzusetzende Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusehen ist, läßt sich dem Wortlaut der Dienstwohnungsverordnung nicht entnehmen. Dem Wortlaut entspricht der in § 23 LBesG zum Ausdruck kommende Zweck der Dienstwohnungsverordnung, die Einzelheiten über die Anrechnung von Sachbezügen auf die Bezüge von Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu regeln. In dieser besoldungsrechtlichen Wirkung erschöpft sich der Regelungsinhalt der Dienstwohnungsverordnung. Hieran ändert - entgegen der Auffassung der Klägerin - nichts der Umstand, daß gemäß § 23 LBesG der Finanzminister ermächtigt ist, im Einvernehmen mit dem Innenminister die Einzelheiten über die Regelung des Mietwerts zu ermitteln und daß durch § 2 Abs. 2 DWVO die Ermittlung des örtlichen Mietwerts den Oberfinanzdirektionen (OFD) übertragen ist. Der Finanzminister nimmt insoweit nicht Aufgaben der Steuerverwaltung wahr, sondern wird hier in seiner Funktion als für die Staatseinnahmen und -ausgaben verantwortlicher Haushaltsminister tätig. Entsprechendes gilt für die Tätigkeit der dem Finanzminister nachgeordneten OFD. Zu Unrecht schließt die Klägerin aus dem Tätigwerden des Finanzministers und der OFD gemäß § 23 LBesG und § 2 Abs. 2 DWVO, daß den nach der Dienstwohnungsverordnung festgesetzten Mietwerten steuerliche Wirkung zukommt.

Abgesehen davon übersieht die Klägerin, daß nach Art. 105 Abs. 2 i. V. m. Art. 106 Abs. 3 und Art. 72 des Grundgesetzes (GG) dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Einkommensteuer zusteht und dieser von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat, mithin ein Gesetzgebungsrecht des Landes insoweit nicht besteht. Im übrigen verstieße die Ermittlung des üblichen Mietwerts für die Zwecke der Einkommensbesteuerung durch die nach den Vorschriften des Kommunalverfassungsrechts zuständigen Stellen von Gemeinden oder Gemeindeverbänden gegen Art. 108 Abs. 2 GG i. V. m. den Vorschriften des Gesetzes über die Finanzverwaltung in der seinerzeit geltenden Fassung. Danach wird die Einkommensteuer durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Durch Landesrecht kann diese Zuständigkeitsregelung nicht außer Kraft gesetzt werden.

cc) In der selbstverantwortlichen Ermittlung des Mietwerts durch die Finanzbehörden liegt kein Eingriff in das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG). Das Recht der nach dem Kommunalverfassungsrecht zuständigen Stellen, den Mietwert gemäß § 2 DWVO festzusetzen, wird durch eine für steuerliche Zwecke etwa abweichende Festsetzung des üblichen Mietwerts durch die Finanzbehörden nicht verletzt.

dd) Die abweichende Auffassung der Klägerin läßt sich auch nicht auf den Grundsatz stützen, daß ein staatlicher Funktionsträger grundsätzlich an die Entscheidung eines anderen Funktionsträgers gebunden ist. Eine solche Bindung ist nur dann anzunehmen, wenn der eine staatliche Funktionsträger im Rahmen und in Ausübung der ihm vom Gesetzgeber zugewiesenen Zuständigkeit auch für den Bereich des anderen Funktionsträgers abschließend entscheidet. Eine solche Wirkung kommt der Festsetzung des örtlichen Mietwerts gemäß § 2 DWVO für die Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens offensichtlich nicht zu. Bei der in diesem Zusammenhang von der Klägerin erwähnten Anerkennung des gemäß § 15 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) i. d. F. vom 23. Oktober 1961 (BGBl I 1961, 1883) ausgestellten Flüchtlingsausweises für das Steuerrecht besteht eine andere Rechtslage. Gemäß §§ 1 und 4 BVFG i. V. m. § 104 Abs. 1 BVFG richtet sich der Begriff der Vertriebenen, Heimatvertriebenen usw. auch für die Anwenlung des § 33 a EStG 1953 ausdrücklich nach den Vorschriften des Bundesvertriebenengesetzes. Hier bewirkt die ausdrückliche Verweisung eines Steuergesetzes auf außersteuerliche Rechtsvorschriften bzw. die Überleitung außersteuerlicher Rechtsvorschriften in Steuergesetze eine Bindung der Steuerbehörden an jene Rechtsvorschriften und - soweit dies wie in den §§ 15 Abs. 5, 104 Abs. 1 BVFG ausdrücklich bestimmt ist - an rechtsgestaltende Verwaltungsakte anderer Behörden. An einer solchen gesetzlich vorgeschriebenen Bindung fehlt es jedoch im Verhältnis zwischen der für Besoldungszwecke geregelten Festsetzung des örtlichen Mietwerts gemäß § 2 DWVO und der steuerlichen Bewertung von Sachbezügen gemäß § 8 Abs. 2 EStG.

ee) Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Überlassung von Dienstwohnungen an Beschäftigte im privaten und öffentlichen Dienst um vergleichbare Sachverhalte. Ebenso wie die öffentlichen sind auch die privaten Arbeitgeber gesetzlich (§ 19 Abs. 1 i. V. m. § 8 EStG) verpflichtet, im Falle der Überlassung verbilligter oder unentgeltlicher Wohnungen an Arbeitnehmer den hierin liegenden geldwerten Vorteil für die Zwecke der Einkommens-/Lohnbesteuerung mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzen. Die von der Klägerin erstrebte Bindung der Finanzbehörden an die gemäß § 2 DWVO festgesetzten Mietwerte hätte im Hinblick auf die jedenfalls zum Teil von § 8 Abs. 2 EStG abweichenden Regelungen der Dienstwohnungsverordnung eine mit Art. 3 GG nicht vereinbare unterschiedliche Besteuerung von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst und Arbeitnehmern in der privaten Wirtschaft zur Folge.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73207

BStBl II 1979, 629

BFHE 1979, 26

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