Leitsatz

1. Der Zwangsverwalter hat auch die Einkommensteuer des Vollstreckungsschuldners zu entrichten, soweit sie aus der Vermietung der im Zwangsverwaltungsverfahren beschlagnahmten Grundstücke herrührt (Änderung der Rechtsprechung).

2. An der Entrichtungspflicht des Zwangsverwalters ändert sich nichts, wenn während der Zwangsverwaltung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird.

 

Normenkette

§ 34 Abs. 3, § 34 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 69 AO, § 156 Abs. 1 Satz 1, § 155 Abs. 1, § 153b Abs. 1, § 152, § 150, § 148 Abs. 2, § 161 ZVG, § 1123 BGB, § 55, § 80 Abs. 2 Satz 2, § 80 Abs. 1, § 35, § 38 InsO, § 21 EStG, § 11 Abs. 3 FGO

 

Sachverhalt

Der Kläger war Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beigeladenen. Im Vermögen des Beigeladenen befanden sich bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens drei Grundstücke und ein Erbbaurecht, die unter Zwangsverwaltung standen. Der Grundbesitz war vermietet. Das FA setzte die aus der Vermietung herrührende ESt als Masseverbindlichkeit gegen den Kläger fest. Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Münster, Urteil vom 29.11.2013, 4 K 3607/10 E, Haufe-Index 6420234, EFG 2014, 289).

 

Entscheidung

Auf die Revision des Klägers hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und der Klage stattgegeben. Er hat die Entrichtungsschuld des Insolvenzverwalters insoweit reduziert. Das FA kann nun versuchen, den Zwangsverwalter in Anspruch zu nehmen. Wenn das im Streitfall nicht mehr möglich ist, z.B. weil die Zwangsverwaltung bereits beendet ist, bleibt es bei der persönlichen Schuld des Steuerpflichtigen.

 

Hinweis

Muss der Insolvenzverwalter die ESt des Schuldners (als Masseverbindlichkeit) entrichten, soweit sie aus der Vermietung von Grundstücken herrührt, für die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Zwangsverwaltung angeordnet war? Nur diese Frage hatte der BFH mit bindender Wirkung zu klären, denn geklagt hatte ein Insolvenzverwalter. Der BFH hat die Frage verneint. Die Entscheidung enthält jedoch weit darüber hinausreichende (teilweise neue) Aussagen:

1. Schuldner der ESt ist, wer den Besteuerungstatbestand verwirklicht und die Einkünfte "erzielt" (§ 2 Abs. 1 EStG). Vermieter im steuerrechtlichen Sinne ist, wer einem anderen ein Grundstück oder eine Sache gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Soll das Mietverhältnis nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich Bestand haben, muss der Vermieter zur Nutzung befugt sein.

a) Durch den Beschluss über die Anordnung der Zwangsverwaltung wird dem Eigentümer als Vollstreckungsschuldner die Befugnis zur Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG).

b) Das ändert aber nichts daran, dass er in steuerlicher Hinsicht auch weiterhin den Tatbestand der Vermietung selbst erfüllt, denn (pflichtgemäße) Handlungen des Zwangsverwalters werden dem Vollstreckungsschuldner als eigene zugerechnet. Das hatte schon das Reichsgericht entschieden. Daran hat sich – auch für das Steuerrecht – nichts geändert. Setzt der Zwangsverwalter, wie es seinen Aufgaben entspricht, die bestehenden Mietverhältnisse fort, erzielt also weiterhin der Schuldner die Vermietungseinkünfte. Darüber bestand auch kein Streit.

2. Streitig war, ob der Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter insoweit die ESt des Schuldners entrichten muss.

a) Als Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 1 und 3 AO) hat der Insolvenzverwalter auch die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen. Welche genau, sagt die AO nicht.

b) Geht es um Geldzahlungen, bestimmt § 55 InsO, welche Forderungen der Insolvenzverwalter in voller Höhe zu erfüllen hat, nämlich die Masseverbindlichkeiten. Das FA, das den Insolvenzverwalter insoweit in Anspruch genommen hatte, musste deshalb erklären, dass es sich bei der ESt-Schuld aus der Vermietung der unter Zwangsverwaltung stehenden Grundstücke um eine Masseverbindlichkeit handelt. Der Kläger hielt dem vor allem entgegen, er könne über die Grundstücke nicht verfügen und habe auch keinen unmittelbaren Einfluss auf die Fortsetzung oder Beendigung der Mietverhältnisse. Die Masse sei durch die Vermietung auch nicht bereichert, denn ihr sei nichts zugeflossen.

3. Der BFH hat sich im Ergebnis der Ansicht des Insolvenzverwalters angeschlossen, allerdings mit völlig anderer Begründung.

a) Auch der Zwangsverwalter ist ein Vermögensverwalter. Auch er hat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, ohne dass sich aus der AO hierzu Genaueres ergibt. Sieht man sich das einschlägige Schrifttum zum ZVG an, dürfte allein diese Erkenntnis für die betroffenen Kreise schon einigermaßen überraschend sein.

b) Ähnlich wie die InsO enthält auch das ZVG Vorschriften darüber, welche Forderungen der Zwangsverwalter aus den erzielten Einnahmen vor Ausschüttung befriedigen muss. Was die Steuern betrifft, lässt allerdings auch das ZVG offen, welche Steuern vom Zwangsverwalter entrichtet werden müssen. Das ZVG spricht insofern unbestimmt nur von "öffentlichen Lasten" (§ 156 ZVG).

c) In der Rechtsprechung war geklärt, dass grundstücksbezogene Steuer...

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