Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um die Auslegung von Art. 214 MwStSystRL. Die Vorschrift verpflichtet die Mitgliedstaaten nach den dort genannten Voraussetzungen, Unternehmern und nichtunternehmerisch tätigen juristischen Personen eine USt-IdNr. zuzuteilen. Im Ausgangsverfahren hatte die Klägerin ihre Eintragung in das lettische Unternehmerregister beantragt. Dies hatte die Steuerbehörde abgelehnt, da die Klägerin nicht fähig sei, die angegebene unternehmerische Tätigkeit (Bauleistungen) zu erbringen. Die Klägerin verfüge über keine Anlagegüter und habe darüber auch keinen Mietverträge darüber abgeschlossen. Sie sei nicht in das Register der Bauunternehmer eingetragen und seit ihrer Gründung keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen.

Der EuGH musste u.a. prüfen, ob Art. 214 i.V.m. Art. 273 MwStSystRL (danach können die Mitgliedstaaten u.a. zur Bekämpfung von MwSt-Betrug den Unternehmern weitere, über die Regelungen der MwStSystRL hinausgehende Pflichten auferlegen), ob ein Mitgliedstaat sich vor Erteilung einer USt-IdNr. vergewissern darf, dass der Betreffende in der Lage ist, sich als Unternehmer zu betätigen.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass es den Mitgliedstaaten zwar freisteht, einem Steuerpflichtigen die Zuteilung einer individuellen Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zu versagen, doch kann von dieser Möglichkeit nicht ohne berechtigten Grund Gebrauch gemacht werden. In dem Urteil bestätigt der EuGH seine ständige Rechtsprechung, dass der Unternehmerbegriff nach der MwStSystRL weit auszulegen ist. Jeder, der die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diese Zwecke tätigt, hat danach als Steuerpflichtiger (Unternehmer) zu gelten. Somit lassen es die Art. 213 und 214 MwStSystRL nicht zu, einem Antragsteller die Zuteilung einer Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer nur deshalb zu verweigern, weil er nicht in der Lage ist zu beweisen, dass er über die materiellen, technischen und finanziellen Mittel verfügt, um die angegebene wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben.

Andererseits sind nach dem Urteil die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Richtigkeit der Eintragungen in das Register der Steuerpflichtigen zu garantieren, um ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Mehrwertsteuersystems sicherzustellen. Die zuständige nationale Behörde hat daher die Steuerpflichtigeneigenschaft eines Antragstellers zu prüfen, bevor sie ihm eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zuteilt. Der EuGH gibt zu erkennen, dass er die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer als ein wichtiges Beweismittel dafür hält, dass Umsätze bewirkt wurden (Rz. 20). Hierzu verweist er auf die Bestimmungen der MwStSystRL über die Rechnungstellung, die Steuererklärung und die Zusammenfassende Meldung, dass die USt-IdNr. des Unternehmers, des Erwerbers einer Lieferung oder des Empfängers von Dienstleistungen in den betreffenden Unterlagen enthalten sein muss. Außerdem führt er nochmals seine Entscheidungen v. 6.9.2012, C-273/11 (Mecsek-Gabona) und v. 27.9.2012, C-587/10 (VSTR) an. Danach soll bei der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Handelsverkehrs die Identifizierung der Unternehmer durch individuelle Nummern auch die Bestimmung des Mitgliedstaats erleichtern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt.

Die Mitgliedstaaten können somit nach Art. 273 Abs. 1 MwStSystRL Maßnahmen ergreifen, die eine missbräuchliche Verwendung von Identifikationsnummern insbesondere durch Einrichtungen, deren Tätigkeit bzw. Unternehmereigenschaft rein fiktiv ist, verhindern. Diese Maßnahmen dürfen aber nicht systematisch den Vorsteuerabzug in Frage stellen, wenn das Vorsteuerabzugsrecht materiell-rechtlich besteht.

Die Weigerung, einem Steuerpflichtigen eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen, muss deshalb auf ernsthaften Anzeichen beruhen, nach denen objektiv davon ausgegangen werden kann, dass die USt-IdNr. in betrügerischer Weise verwendet werden wird. Eine solche Entscheidung muss sich auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls und Beweise stützen, die im Rahmen der Überprüfung der von dem betreffenden Unternehmen gemachten Angaben gesammelt wurden. Die Beurteilung der Gesamtumstände ist Sache des nationalen Gerichts.

 

Hinweis

Das deutsche Recht ist von dem Urteil nicht betroffen. Personen, die ein Unternehmen (Gewerbe) eröffnen wollen, melden dies beim Gewerbeamt der jeweiligen Kommune an. Ausgenommen davon sind Freiberufler oder in der Land- und Forstwirtschaft selbstständig Tätige. Das Gewerbeamt informiert verschiedene Behörden über die Anmeldung, insbesondere die Industrie- und Handelskammer (IHK), die Handwerkskammer (HWK), die Krankenkasse sowie das zuständige Finanzamt. Das Finanzamt wird dem Antragsteller eine Steuernummer und auf Antrag eine USt-IdNr. erteilen.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 14.03.2013, C-527/11

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