Leitsatz

Die Zuteilung der Identifikationsnummer und die dazu erfolgte Datenspeicherung sind mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und sonstigem Verfassungsrecht vereinbar.

 

Normenkette

Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 GG, § 30, § 139a, § 139b AO, § 10, § 10a, § 22a, § 39e, § 44a, § 45d, § 51a, § 81 EStG, § 1, § 6 StIdV, § 41 FGO

 

Sachverhalt

Das BZSt hatte der Klägerin im Jahr 2008 nach § 139a Abs. 1 AO eine Identifikationsnummer (ID) zugeteilt und sie hiervon unterrichtet. Daraufhin hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, das BZSt zur Löschung der ID sowie der hierzu gespeicherten Daten zu verpflichten. Das FG beurteilte dieses Begehren als (zulässige) allgemeine Leistungsklage (§ 40 Abs. 1 letzte Alt. FGO) und wies die Klage als unbegründet ab (FG Köln, Urteil vom 7.7.2010, 2 K 3093/08, EFG 2010, 1860).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision, deren Begehren die Klägerin auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuteilung der ID und der unter dieser erfolgten Datenspeicherung beschränkt hatte, aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurück.

Gegen das BFH-Urteil wird voraussichtlich Verfassungsbeschwerde eingelegt werden. Daher wird letztlich das BVerfG darüber zu befinden haben, ob durch die ID Grundrechte verletzt werden.

 

Hinweis

Die in den §§ 139a und b AO geregelte bundeseinheitliche Identifikationsnummer (ID) ist ein wesentlicher Baustein der vom Gesetzgeber angestrebten Modernisierung des Besteuerungsverfahrens. Mit der ID sollen auch Steuerquellen vollständiger als bisher erfasst und damit eine gesetz- und gleichmäßige Besteuerung sichergestellt werden. In der laufenden Gesetzgebung wird der Anwendungsbereich der ID ständig erweitert. Dagegen regt sich – getrieben durch die Angst vor der Datenmacht der Finanzverwaltung und vor den Gefährdungen des "gläsernen Steuerbürgers" – Widerstand.

1. Verfahrensrechtlich bejaht der BFH die Zulässigkeit einer Feststellungsklage mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Zuteilung der ID und der unter ihr erfolgenden Datenspeicherung festzustellen. Mit diesem Begehren kann ein Kläger aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nicht auf die (fristgebundene und erst nach erfolglosem Einspruchsverfahren zulässige) Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage verwiesen werden.

Der BFH hat keine Aussage dazu getroffen, ob ein im Kern allein auf die Löschung der ID und der unter ihr gespeicherten Daten gerichtetes Begehren (so z.B. bei Unrichtigkeit der Daten, § 6 Abs. 2 StIdV) auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist, sodass insoweit allein eine Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage in Betracht kommt. Dies wird man bejahen müssen, weil die Ablehnung oder Gewährung des Löschungsbegehrens nicht schlichtes Verwaltungshandeln betrifft, sondern Regelungswirkung entfaltet (dazu z.B. Sodan/Ziekow, Kommentar zu VwGO, 3. Aufl. 2010, § 42 Rz. 176).

2. Verfassungsrechtlich geht es um die Vereinbarkeit der ID mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies ist wegen des überwiegenden Allgemeininteresses an der Zuteilung und Verwendung der ID sowie der damit verbundenen Datenspeicherung zu bejahen. Mit der ID trägt der Gesetzgeber insbesondere seiner Verpflichtung zur Herstellung von Besteuerungsgleichheit Rechnung.

a) Die verfassungsrechtliche Prüfung hat die mit der Einführung der ID verbundenen Auswirkungen zu berücksichtigten. Die ID
  • ermöglicht die Zuordnung der von Mitteilungspflichtigen durch Datenfernübertragung übersandten Rentenbezugsmitteilungen;
  • bildet die Grundlage für die Ersetzung der Lohnsteuerkarte, was zu einem Abbau von Bürokratie führt und Fälschungsmöglichkeiten bei den bisherigen Lohnsteuerkarten beseitigt;
  • dient im Rahmen der Übermittlung von Vorsorgeaufwendungen der eindeutigen und praktikab­len Zuordnung zu den jeweils betroffenen Steuerpflichtigen, wozu diese ihre schriftliche Einwilligung erteilen müssen;
  • wird künftig zur Vermeidung von Steuerausfällen bei der Kapitalertragsteuer beitragen;
  • eröffnet auch wirksame Kontrollmöglichkeiten beim Abzug von Kapitalertragsteuer bei der Meldung von ausländischen Versicherungsverträgen und ausländischen Zinserträgen;
  • trägt im Rahmen des Familienleistungsausgleichs, insbesondere beim Bezug von Kindergeld, zur Vermeidung von Missbrauch bei;
  • ermöglicht auch den Abzug von Kirchensteuer vom Kapitalertrag.
b) Der durch die ID bewirkte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist relativ gering, weil die ID lediglich ein behördliches Ordnungsmerkmal darstellt, die Voraussetzungen der Erhebung und Verwendung der ID restriktiv geregelt sind und die beim BZSt gespeicherten Daten weder eine gesteigerte Persönlichkeitsrelevanz besitzen noch heimlich erhoben werden. Die ID stellt auch kein Persönlichkeitsprofil des Steuerpflichtigen her. Eine unzulässige Vorratsdatenspeicherung zu unbestimmten oder nicht bestimmbaren Zwecken erfolgt nicht.

Auch eine Verletzung anderweitiger Grundrechte, insbesondere der Glaubens-, Gewissens- oder Bekennt...

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