Leitsatz

Im Rahmen der Erhebung der Mehrwertsteuer stellt das zusätzliche Entgelt, das ein Erbringer von Telekommunikationsdiensten seinen Kunden berechnet, wenn sie diese Dienste nicht im Lastschriftverfahren oder durch BACS-Überweisung bezahlen, sondern per Kredit- oder Debitkarte, per Scheck oder in bar am Schalter einer Bank oder einer zur Entgegennahme der Zahlung für Rechnung des betreffenden Leistungserbringers ermächtigten Stelle, keine Gegenleistung für eine eigenständige, von der in der Erbringung von Telekommunikationsdiensten bestehenden Hauptleistung unabhängige Leistung dar.

 

Normenkette

Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 1 und 3 (§ 4 Nr. 8 Buchst. a bis d UStG)

 

Sachverhalt

Everything Everywhere (EE) bietet Mobilfunkdienste mit verschiedenen Zahlungsmodalitäten an. Der Kunde kann u.a. bezahlen per Lastschriftverfahren, per Überweisung durch ein automatisiertes Abrechnungssystem der Banken – BACS-Überweisung –, durch Kreditkarte per Telefon oder Internet, Post-/Bankeinzahlung, Scheck. Bei Zahlung im Lastschriftverfahren oder durch BACS-Überweisung berechnet EE ihm kein zusätzliches Entgelt. Bei anderen Zahlungsarten wird – vereinbarungsgemäß – im Folgemonat ein Zusatzbetrag von 3 GBP berechnet und gesondert als solcher ("SPHC") ausgewiesen. EE behandelte das SPHC als – mehrwertsteuerbefreite – Gegenleistung für einen entgeltlich erbrachten Zahlungsbearbeitungsdienst.

 

Entscheidung

Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

Steuerbefreit sind bestimmte Finanzdienstleistungen, z.B. die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der (Einziehung) von Forderungen. Wird vom Kunden ein Zusatzentgelt ­verlangt, wenn er eine bestimmte Zahlung (z.B. Lastschriftverfahren) tätigt, war fraglich, ob es sich um getrennte und ggf. steuerbefreite Leistungen handelt.

1. Die Grundsätze für die Beurteilung mehrerer – auch formal eigenständiger – Leistungen als einheitliche Leistung sind bekannt. Um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher – verstanden als Durchschnittsverbraucher – mehrere eigenständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, sind die charakteristischen Bestandteile des fraglichen Umsatzes zu ermitteln und sämtliche Umstände zu berücksichtigen, unter denen er abgewickelt wird. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Zahlung des Entgelts für eine ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung stellen für den Kunden grundsätzlich keinen eigenen Zweck dar. An einer Dienstleistung, die dem Kunden lediglich die Entgeltzahlung erleichtert, die er aber nicht unabhängig von der Lieferung oder sonstigen Leistung in Anspruch nehmen kann, hat der Kunde kein von der betreffenden Lieferung/Leistung gesondertes Interesse.

2. Vielmehr sind die Entgegennahme einer Zahlung sowie deren Bearbeitung untrennbar mit jeder entgeltlich erbrachten Dienstleistung verbunden. Dass je nach der vereinbarten Zahlungsart der Umfang der Tätigkeiten variieren kann, ändert daran nichts. Der Umstand, dass ein gesonderter Preis für die Finanzdienstleistung, die erbracht worden sein soll, im Vertrag einzeln bezeichnet und auch gesondert berechnet wird, ist – wie der EuGH betont – dagegen nicht ausschlaggebend. Aus der – für die Beurteilung wesentlichen – Sicht des Kunden ist die Dienstleistung der Bearbeitung von Zahlungen als akzessorisch zur Hauptleistung zu betrachten.

3. Dem steht nicht der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer entgegen, wonach gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Leistungen mehrwertsteuerrechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Denn die Situation eines (normalen) Händlers oder Dienstleistenden ist eine völlig andere als die eines Wirtschaftsteilnehmers, der seinen Kunden Finanzdienstleistungen als Hauptleistung erbringt.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 02.12.2010, C-276/09 – Everything Everywhere Ltd., vormals T-Mobile (UK) Ltd. –

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