Leitsatz

Hat der Steuerpflichtige neben außerordentlichen Einkünften i.S.v. § 34 Abs. 2 EStG auch steuerfreie Einnahmen i.S.v. § 32b Abs. 1 EStG bezogen, so sind diese in der Weise in die Berechnung nach § 34 Abs. 1 EStG einzubeziehen, dass sie in voller Höhe dem verbleibenden zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 17.01.2008, VI R 44/07, BFH/NV 2008, 666).

 

Normenkette

§ 34 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 2, § 32b Abs. 2 EStG.

 

Sachverhalt

Der Sachverhalt war oben schon angeklungen. In den Einkünften des K aus nicht selbstständiger Arbeit befand sich eine Entschädigung von 56526 EUR, welche die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 EStG erfüllte. Daneben bezog K steuerfreie Aufstockungsbeträge von 3951 EUR, die dem Progressionsvorbehalt unterlagen.

Das FA wandte – wie gesagt – die integrierte Methode an und berechnete eine Einkommensteuer von 8900 EUR. Das FG bevorzugte eine Art additiver Methode und kam zu einer Einkommensteuer von 6605 EUR (FG München, Urteil vom 25.10.2007, 5 K 2582/07, Haufe-Index 1917618, EFG 2008, 613).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung des FG auf und wies die Klage ab. Er folgte aus den in den Praxis-Hinweisen entwickelten Erwägungen der Berechnungsmethode des FA.

 

Hinweis

Schon der Leitsatz dieser Entscheidung klingt sehr "technisch" und es ist sinnvoll, sich zu allererst einmal klarzumachen, worum es in diesem Fall eigentlich geht.

1. Nehmen wir also an, jemand (nennen wir ihn K) erzielt Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit und darunter befindet sich eine Entschädigung. Gleichzeitig bezieht er nach § 3 Nr. 28 EStG steuerfreie Aufstockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Das FA berechnete die Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 S. 2 EStG, indem es neben den außerordentlichen Einkünften des K auch dessen steuerfreie Einnahmen in der Weise einbezog, dass sie zur Ermittlung des Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG jeweils in voller Höhe zum verbleibenden zu versteuernden Einkommen addiert wurden. Ist das richtig oder dürfen die steuerfreien Einnahmen nur zu 1/5 hinzugerechnet werden?

2. Nach § 34 Abs. 1 S. 2 EStG beträgt die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte.

3. So kompliziert diese Vorschrift klingt, es handelt sich mehr oder weniger um eine technische Regelung, die bereits nach ihrem Wortlaut die richtige Lösung bereithält: Wenn das Gesetz nämlich auf "die Einkommensteuer" Bezug nimmt, die auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen entfällt, so verweist es auf die Tarifvorschriften des EStG, zu denen auch § 32b EStG gehört. Deshalb schreibt das Gesetz eine integrierte Steuerberechnung vor. So hatte das FA die Steuer auch berechnet. Die sog. additive Methode findet damit im Gesetz keine Grundlage. Das will heißen: Die Fünftelung bezieht sich lediglich auf die außerordentlichen Einkünfte und eben nicht auf die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach § 32b EStG. Diese sind vielmehr erst bei der Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 S. 2 maßgebenden Einkommensteuerbeträgen zu berücksichtigen. Deshalb ist die Auffassung, wonach bei der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 S. 2 EStG auch dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts nur zu 1/5 zu berücksichtigen seien, nicht haltbar.

4. Infolgedessen ist nach § 32b EStG auch bei der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 S. 2 EStG der besondere Steuersatz des § 32b Abs. 2 EStG auf das zu versteuernde Einkommen anzuwenden. Das läuft dem Zweck des Progressionsvorbehalts nicht zuwider, der eine Steuerentlastung verhindern will, die sich daraus ergibt, dass aufgrund des progressiven Tarifverlaufs auf das zu versteuernde Einkommen infolge der Steuerfreiheit der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte ein niedrigerer Steuersatz anzuwenden wäre als bei einer Steuerpflicht dieser Einkünfte. Allerdings darf die Anwendung des § 32b EStG auch nicht zu einer höheren Steuerbelastung führen als bei einer Steuerpflicht der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte. Dieses Problem stellt sich bei § 34 Abs. 1 S. 3 EStG. Diese Norm war im Streitfall aber nicht einschlägig.

5. Das Problem einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung stellt sich nicht. Denn auch bei einer vollen Berücksichtigung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden steuerfreien Einkünfte werden diese nicht besteuert. Der Progressionsvorbehalt führt lediglich zu einer Erhöhung der ansonsten begünstigten Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte, dies jedoch entsprechend der gesteigerten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit infolge des Bezugs auch steuerfreier Einkünfte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.09.2009 – IX R 93/07

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