Leitsatz

Leistungen im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe, die eine selbständig tätige Psychologische Beraterin als "sonstige qualifizierte Person" gegenüber zugelassenen Anbietern für hilfsbedürftige Personen erbringt, waren im Jahr 2010 nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k (jetzt: Buchst. l) UStG steuerfrei, wenn diese Leistungen aufgrund eines Hilfeplans vom Träger der Sozialhilfe bewilligt und mittelbar vergütet wurden.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG i.d.F. des JStG 2009, Art. 132 Abs. 1 Buchst. g EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine ausgebildete psychologische Beraterin mit Fortbildungen insbesondere im Bereich "systemischer Beratung" und "analytischer Psychologie", war im Jahr 2010 (Streitjahr) als Subunternehmerin in der ambulanten Eingliederungshilfe i.S.v. § 53 SGB XII tätig. Sie betreute volljährige Personen mit einer Behinderung im Alltag durch Beratungs-, Begleitungs-, Betreuungs- und Förderleistungen. Ein unmittelbares Vertrags-, Abrechnungs- und Vergütungsver-hältnis mit dem zuständigen gesetzlichen Sozialhilfeträger A bestand dabei nicht.

Die Klägerin besaß die von A geforderte Ausbildung für einen Status als "Fachkraft" nicht, sondern wurde als eine "sonstige qualifizierte Person" eingestuft.

Die Klägerin erarbeitete für die betreuten Personen zusammen mit einem bei A zugelassenen Anbieter (Leistungserbringer) einen Hilfeplan, in dem die Klägerin als gewünschte Betreuerin benannt wurde. Diesen genehmigte A bei anerkannter Hilfsbedürftigkeit. Zwischen A als Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer bestand daneben eine Vereinbarung, die insbesondere Art, Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen sowie die personelle und sachliche Ausstattung betraf. Als "sonstige Kräfte" konnten geeignete Personen eingesetzt werden, ihr Anteil durfte 30 % der beschäftigten Betreuer nicht überschreiten.

Die Klägerin schloss mit dem jeweiligen Leistungserbringer einen Dienstvertrag als freie Mitarbeiterin. Zur Abrechnung übermittelte die Klägerin patientenbezogene Daten an A, der gegenüber dem Leistungserbringer abrechnete und ihm das vereinbarte Entgelt erstattete.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt – FA) sah im USt-Bescheid für das Jahr 2010 die Leistungen der Klägerin (anders als bis einschließlich 2009) als nicht steuerfrei an. Eine mittelbare Kostentragung genüge, anders als früher, nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG n. F nicht mehr für eine Anerkennung der Klägerin. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG Köln, Urteil vom 11.8.2016, 13 K 3610/12, Haufe-Index 9942943, EFG 2016, 2009) gab der Klage statt. Auch Subunternehmerleistungen müssten bei hinreichendem Nachweis der Kostentragung durch einen im Gesetz genannten Träger begünstigt sein. Die Klägerin habe nur von A anerkannte Leistungen der ambulanten Eingliederungshilfe erbracht und insoweit auch die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Satz 2 UStG 2009 erfüllt. Für die verbleibenden Umsätze sei nach der Kleinunternehmerregelung keine USt festzusetzen.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Er entschied dabei auch, dass die Klägerin Unternehmerin sei, und bestätigte, dass auf die übrigen Umsätze die Kleinunternehmerregelung anzuwenden ist.

 

Hinweis

1. Die Steuerbefreiung von Leistungen der sozialen Sicherheit und der Sozialfürsorge (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) gilt nur für Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen.

2. Der nationale Gesetzgeber setzt dies ab 1.1.2009 u.a. durch einen umfangreichen Katalog in § 4 Nr. 16 UStG um.

a) Dabei ist zu beachten, dass die Steuerbefreiungen nach den einzelnen Buchstaben nebeneinander stehen und (zunächst) mit § 4 Nr. 16 Buchst. k (jetzt: l) UStG eine Auffangvorschrift zur Verfügung steht, die bei Einrichtungen, die nicht unter § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. a bis j (jetzt: k) UStG fallen, zur Anwendung kommt (vgl. BT-Drucks. 16/11108, S. 38).

b) Das bedeutet: Verneint der Rechtsanwender eine Steuerbefreiung einer Leistung nach § 4 Nr. 16 Buchst. a bis k, ist die Prüfung nicht zu Ende, sondern ist mit der Prüfung des Buchst. l fortzusetzen. Die Rechtsprechung des BFH zu dem ähnlich formulierten § 4 Nr. 16 UStG a.F. (bis 31.12.2008) kann dabei weiter von Bedeutung sein.

3. Die genannte Auffangvorschrift knüpft die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter daran, dass im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens (früher: 40 %): 25 % Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge vergütet worden sind, und zwar ganz oder zum überwiegenden Teil.

a) Die Anknüpfung an das vorangegangene Kalenderjahr ist dabei unionsrechtswidrig (EuGH, Urteil vom 15.11.2012, C-1...

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