Leitsatz

Überträgt der Steuerpflichtige einen fremd finanzierten Anteil an einem geschlossenen Immobilienfonds in Erfüllung einer Vergleichsvereinbarung auf eine von dem finanzierenden Kreditinstitut benannte Erwerbergesellschaft und verzichtet das Kreditinstitut im Gegenzug teilweise auf die Rückzahlung des restlichen Darlehens, kann ein privates Veräußerungsgeschäft vorliegen.

 

Normenkette

§ 21, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Kläger, Eheleute, beteiligten sich an einer Immobilien-Fonds GbR und erzielten daraus Einkünfte aus VuV. Dafür nahmen sie Bankkredit in Anspruch. Später widerriefen die Kläger ihre Willenserklärungen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrags. Im Vergleichswege verzichtete das Kreditinstitut gegenüber den Klägern auf einen Teil des Darlehensrückzahlungsanspruchs und ließ sich im Gegenzug die Beteiligung der Kläger abtreten.

 

Entscheidung

Das FG hat die Ansicht der Finanzverwaltung bestätigt und die Klage abgewiesen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.5.2016, 9 K 2994/15, Haufe-­Index 9763845, EFG 2016, 1882).

Auf die Revision der Kläger hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben. Die Umstände des Streitfalls sprächen eindeutig dafür, dass die Kläger ihre Beteiligung an das finanzierende Kreditinstitut veräußert und mit diesem keine Rückabwicklung des Darlehens oder des Erwerbsgeschäfts vereinbart hätten.

 

Hinweis

Die Entscheidung ergänzt die drei grundlegenden Senatsurteile zur Veräußerung oder Rückabwicklung von Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds mit Schrottimmobilien (BFH, Urteil vom 6.9.2016, IX R 27/15, BFHE 255, 176, BFH/NV 2017, 202, BFH/PR 2017, 75, BFH, Urteil vom 6.9.2016, IX R 44/14, BFHE 255, 148, BFH/NV 2017, 191, BFH/PR 2017, 76 und BFH, Urteil vom 6.9.2016, IX R 45/14, BFHE 255, 162, BFH/NV 2017, 197, BFH/PR 2017, 77).

1. Nach der Rechtsprechung liegt eine Veräußerung trotz (Rück-)Übertragung des Kaufgegenstands nicht vor, wenn das ursprüngliche Erwerbsgeschäft rückabgewickelt wird. Dies ist u.a. der Fall, wenn das (auf die Anschaffung eines Grundstücks gerichtete) Erwerbsgeschäft wegen Vertragsstörung keinen Bestand hat und die Vertragspartner sich die gegenseitig erbrachten Leistungen vollständig zurückgewähren. Entsprechendes gilt, wenn der Erwerb einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung rückabgewickelt wird.

2. Schwieriger ist die Rechtslage, wenn der ursprüngliche Erwerb fremdfinanziert war und wenn sich der Erwerber – wie in der Praxis üblich – vor allem an das Kreditinstitut hält, was zivilrechtlich voraussetzt, dass das Erwerbsgeschäft und die Finanzierung als verbundene Geschäfte verstanden werden.

a) Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt auch dann eine Rückabwicklung und keine Veräußerung vor, wenn das Kreditinstitut (teilweise) auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet Zug um Zug gegen Übertragung des Anteils. Den Forderungsverzicht behandelt die Finanzverwaltung als Schadenersatz

  • für den überhöhten Kaufpreis der Immobilien (Folge: Reduzierung der AfA) und
  • für zu viel bezahlte Schuldzinsen (Folge: Erstattung von WK = Einnahmen);

vgl. im Einzelnen, LfSt Bayern S. 2211.1.1-2/2 St32/St33 vom 16.7.2008, DB 2008, 2453.

b) Der BFH ist dem nicht gefolgt, sondern hat unter den Umständen des Streitfalls eine Veräußerung angenommen. Bei dieser Sichtweise ist der Forderungsverzicht in voller Höhe als Gegenleistung für die entgeltliche Übertragung der Beteiligung anzusehen. Da die Veräußerung mehr als 10 Jahre nach dem Erwerb stattgefunden hatte, war sie nach § 23 EStG nicht steuerbar.

3. Offen bleibt, unter welchen Umständen der BFH bei einem ursprünglich fremdfinanzierten Erwerb und einer schadenersatzrechtlichen Rückabwicklung gegenüber dem Kreditinstitut von einer steuerrechtlichen Rückabwicklung ausgehen würde oder ob sie in diesen Fällen generell ausgeschlossen ist (Rückabwicklung stets nur im Leistungsverhältnis).

4. Anhaltspunkte dafür, dass das Kreditinstitut nicht nur den Anteil der Kläger erwerben, sondern zugleich Schadenersatz an die Kläger leisten wollte – was gegebenenfalls zu einer Aufteilung der Gegenleistung hätte führen müssen (vgl. die im einleitenden Absatz zitierten Grundsatzurteile) –, hat der BFH im Streitfall nicht erkannt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 31.1.2017 – IX R 26/16

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