Leitsatz

Die dem Provider bei Prepaid-Verträgen endgültig verbliebenen Restguthaben sind nachträgliches Entgelt für die eröffnete Nutzung der von ihm zur Verfügung gestellten Infrastruktur, die insbesondere die mobile Erreichbarkeit der Prepaid-Kunden ermöglichte.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1b, Abs. 9a, § 10 Abs. 1 Satz 2 a.F., § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4, § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c, Art. 73, Art. 90 Abs. 1 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erbrachte im Jahr 2007 (Streitjahr) u.a. Telekommunikationsdienstleistungen auf der Grundlage von sog. Prepaid-Verträgen (Zugang zu ihrem Mobilfunknetz). Allerdings kündigte die Klägerin die Prepaid-Verträge, wenn innerhalb eines festgelegten Zeitraums kein neues Guthaben aufgeladen wurde. Der Kunde konnte sich dann das Restguthaben erstatten oder auf eine andere SIM-Karte umbuchen lassen. Erfolgte weder eine Erstattung noch eine Umbuchung des Restguthabens, buchte die Klägerin das Guthaben des Kunden in ihrer Handels- und Steuerbilanz erfolgswirksam aus.

Das FA vertrat die Auffassung, dass sich ein noch vorhandenes Restguthaben, das weder erstattet noch umgebucht werde, von einer Vorauszahlung in eine Überzahlung wandele, die die Bemessungsgrundlage für die von der Klägerin ausgeführten Leistungen nachträglich erhöhe.

Das FG wies die Klage ab. Es nahm an, das Entgelt dafür, dass die Prepaid-Kunden über ihr Mobiltelefon erreichbar gewesen seien, seien die aufgeladenen Guthaben.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück, wenn auch mit anderer Begründung als FA und FG.

 

Hinweis

1. Wird ein Prepaid-Mobilfunkvertrag beendet, kann der Prepaid-Kunde am Vertragsende die Rückzahlung seines ungenutzten Guthabens verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 9.6.2011, III ZR 157/10, MDR 2011, 834, Rz. 48 ff.).

2. Allerdings machen beileibe nicht alle Prepaid-Kunden diesen Anspruch geltend. Das ungenutzte Guthaben verfällt teilweise und verbleibt endgültig beim Prepaid-Anbieter.

3. Das Besprechungsurteil enthält zu den umsatzsteuerrechtlichen Folgen dieser Vorgänge mehrere wichtige Klarstellungen:

a) Die Einräumung der Möglichkeit, die technische Infrastruktur des Prepaid-Anbieters (Mobilfunknetz etc.) zu nutzen und dadurch mobil erreichbar zu sein, ist eine Dienstleistung (sonstige Leistung).

b) Die Aufladung des Guthabens ist keine Gegenleistung für diese Dienstleistung oder für die (Aktivierung bzw.) Nicht-Deaktivierung der SIM-Karte. Sie ist außerdem keine Anzahlung für zukünftige konkrete Mobilfunk-Leistungen, weil diese noch nicht feststehen (Multifunktions-Guthaben).

c) Die endgültig nicht zurückgeforderten Restguthaben aus den Prepaid-Verträgen sind aber (nachträgliches) Entgelt für die zur Verfügung gestellte Infrastruktur (insbesondere die mobile Erreichbarkeit).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.4.2019 – XI R 4/17

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