Leitsatz

Führt eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Apotheke Arzneimittellieferungen an in Deutschland wohnhafte Privatpersonen aus, können diese Lieferungen nach der sog. Versandhandelsregelung in Deutschland selbst dann steuerbar und steuerpflichtig sein, wenn die Abnehmer eine formularmäßige Vollmacht zur Beauftragung eines Kurierdienstes zum Transport der bestellten Medikamente in ihrem Namen und für ihre Rechnung erteilt haben.

 

Normenkette

§ 118 Abs. 2 FGO, § 1a Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 5a, § 3 Abs. 6, § 3c UStG, Art. 32, 33, 34 MwStSystRL

 

Sachverhalt

Die Klägerin, die niederländische Kapitalgesellschaft X, war Inhaberin einer Apothekenzulassung nach niederländischem Recht. Sie verkaufte in Deutschland an private Kunden Medikamente in Zusammenarbeit mit in Deutschland ansässigen Apotheken.

Vor dem Erwerb der Medikamente füllten die Kunden in der jeweiligen deutschen Apotheke einen an die Klägerin gerichteten Bestellschein mit folgender Wahlmöglichkeit aus:

„0 Ich hole die Medikamente nach der Bereitstellung durch die X selbst in den Geschäftsräumen der X ab.

0 Hiermit bevollmächtige ich die X unwiderruflich, in meinem Namen und auf meine Rechnung einen Kurierdienst mit dem Transport der oben bestellten Medikamente von der X zur C Apotheke zum Preis von 0,50 EUR pro Bestellung zu beauftragen.”

In aller Regel wählte der jeweilige Kunde per "Ankreuzen" den Transport durch den Kurierdienst und unterschrieb den Bestellschein. In der deutschen Apotheke wurden das Rezept und der Bestellschein "eingescannt" und per Computer "online" an die Klägerin übermittelt.

Anschließend bestellte die Klägerin die Medikamente bei einem deutschen Medikamentengroßhändler, der diese an das Lager am Sitz der Klägerin in den Niederlanden auslieferte. Ein Mitarbeiter der Klägerin verpackte und adressierte die Medikamente für die einzelnen Kunden. Einmal täglich holte ein Mitarbeiter der B die Medikamente in den Geschäftsräumen der Klägerin ab und transportierte sie nach dem in Deutschland gelegenen Z. In Z wurden die Medikamente an die N übergeben und durch diese an den Bestimmungsort zur jeweiligen deutschen Apotheke weiterbefördert. Dort wurden die Medikamente ausgegeben und von den Kunden bezahlt, soweit die entsprechenden Kosten nicht von den deutschen gesetzlichen Krankenversicherungen (GKVen) übernommen wurden.

Die deutsche Apotheke überwies monatlich die erhaltenen Geldbeträge und die Transportkosten an die Klägerin.

Die Klägerin erklärte gegenüber dem FA die an ihre Kunden in Deutschland ausgeführten Lieferungen als nicht steuerbar. Das FA beurteilte diese Umsätze hingegen gemäß § 3c UStG als steuerbar.

Das FG wies die Klage ab (FG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2012, 1 K 1808/09 U).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

Er legt im Einzelnen dar, im Streitfall seien die Voraussetzungen der Ortsbestimmung in § 3c UStG für die von der Klägerin gegenüber den einzelnen Privatpersonen als Leistungsempfänger und Abnehmer ausgeführten Arzneimittellieferungen erfüllt.

Das FG habe insbesondere – trotz der anderslautenden Angaben auf den verwendeten Bestellformularen – zutreffend angenommen, dass die Arzneimittel durch die Klägerin als Lieferer von den Niederlanden nach Deutschland versendet wurden und der jeweilige Transport nicht durch die Abnehmer (Kunden) veranlasst wurde.

 

Hinweis

Wird bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, so gilt nach § 3c Abs. 1 Satz 1 UStG die Lieferung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.5.2015 – XI R 2/13

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