Leitsatz

Die Einkünfte einer Ärzte-GbR sind insgesamt solche aus Gewerbebetrieb, wenn die GbR auch Vergütungen aus ärztlichen Leistungen erzielt, die in nicht unerheblichem Umfang ohne leitende und ei­genverantwortliche Beteiligung der Mitunternehmer-Gesellschafter erbracht werden.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 2, § 7 GewStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine aus Ärzten bestehende GbR. Diese hatte mit einer weiteren Ärztin eine Arztpraxis betrieben. Das FA kam nach einer Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Beteiligung der Ärztin keine Mitunternehmerschaft vorlag. Diese Auffassung hat der BFH in seinem Urteil vom 3.11.2015, VIII R 63/13, BFH/NV 2016, 805, BFH/PR 2016, 176 bestätigt. Daraus schloss das FA, dass die Klägerin hinsichtlich der Honorarumsätze der Ärztin gewerbliche Einkünfte erzielte. Der Betrieb der GbR sei gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in vollem Umfang als Gewerbebetrieb anzusehen. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 19.9.2013, 11 K 3969/11 G, Haufe-Index 6670850).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

Können drei an sich freiberuflich tätige Ärzte gewerbliche Einkünfte erzielen? Dies ist zu bejahen. Die vom BVerfG als verfassungsgemäß angesehene Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (BVerfG, Beschluss vom 15.1.2008, 1 BvL 2/04, BFH/PR 2008, 353) führt unter folgenden Voraussetzungen zu einer Infizierung freiberuflicher Einkünfte mit der Folge der Gewerbesteuerpflicht:

1. Liegt hinsichtlich eines (Schein-)Gesellschafters keine Mitunternehmerschaft gemäß §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 18 Abs. 4 Satz 2 EStG vor (s. hierzu BFH, Urteil vom 3.11.2015, VIII R 63/13, BFH/NV 2016, 805, BFH/PR 2016, 176),

2. erbringt dieser Gesellschafter eigenverantwortlich ärztliche Leistungen,

3. die mangels ausreichender Überwachung nicht auf einer leitenden Tätigkeit der Mitunternehmer-Gesellschafter beruhen, und

4. überschreitet der Umsatz des Nichtmitunternehmers 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 EUR (BFH, Urteil vom 27.8.2014, VIII R 6/12, BFH/NV 2015, 597, BFH/PR 2015, 149),

sind die Einkünfte der Gesellschaft wegen Überschreitens der Bagatellgrenze nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren.

Diese Rechtsfolge ist hart und umstritten. Sie ist letztendlich jedoch Folge der kapitalistischen Arbeitsweise der GbR, die in der Ausnutzung einer – wenn auch hochqualifizierten – fremden Arbeitskraft besteht. Eine freiberufliche Tätigkeit setzt nach herkömmlicher Auffassung voraus, dass sie eigenverantwortlich erbracht wird. Zwar kann sich auch ein Freiberufler fachlich vorgebildeter Mitarbeiter bedienen. Er muss diese jedoch aufgrund eigener Fachkenntnisse anleiten. Sie dürfen nicht ohne Aufsicht des Freiberuflers eigenverantwortlich tätig werden (zur Abgrenzung s. BFH, Urteil vom 16.7.2014, VIII R 41/12, BFH/NV 2015, 376, BFH/PR 2015, 83).

Würde man dieses Unterscheidungsmerkmal der freiberuflichen zur gewerblichen, unter Ausnutzung fremder Arbeitskraft kapitalistischen Tätigkeit aufgeben, würde die Abgrenzung zur Gewerbesteuerpflicht beliebig. Sie wäre verfassungsrechtlich kaum noch zu rechtfertigen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 3.11.2015 – VIII R 62/13

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