Leitsatz

1. Hohe (negative) Zwischengewinne beim Erwerb von Anteilen an einem Investmentfonds führen nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S. des § 20 Abs. 2b Satz 1 i.V.m. § 15b EStG.

2. Eine Einschränkung der Verlustverrechnung folgt auch nicht aus § 20 Abs. 2b Satz 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige positive Einkünfte aus den Fondsanteilen erzielt, die dem progressiven Einkommensteuertarif gemäß § 32a EStG unterliegen.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 2b, § 15b, § 32d Abs. 1, § 32a Abs. 1 EStG, § 1 Abs. 4, § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG

 

Sachverhalt

Die Kläger erwarben in den Jahren 2007 und 2008 Anteile an dem X-Fonds zum Kaufpreis von 2.102.529 EUR (2007) und 47.107 EUR (2008). Bei dem im November 2007 aufgelegten X-Fonds handelte es sich um den Teilfonds eines Investmentfonds nach Luxemburger Recht. Die Erträge wurden thesauriert. Anlässlich des Kaufs der Fondsanteile wurden den Klägern im Jahr 2007 Zwischengewinne i.H.v. 781.677,60 EUR und im Streitjahr 2008 Zwischengewinne i.H.v. 178.106 EUR berechnet. Nach der ersten Abrechnungsperiode des X-Fonds erzielten die Kläger im Streitjahr Zinserträge i.H.v. 113.114,26 EUR und Dividenden i.H.v. 16.370,47 EUR.

In ihrer ESt-Erklärung für 2008 saldierten die Kläger den im Streitjahr gezahlten (negativen) Zwischen­gewinn i.H.v. 178.106 EUR mit ihren positiven Kapitalerträgen aus dem X-Fonds und weiteren Kapitalerträgen. Das FA vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Beteiligung an dem X-Fonds um ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 20 Abs. 2b i.V.m. § 15b EStG handele. Es ließ zwar die Verrechnung der negativen Einkünfte aus dem Zwischengewinn i.H.v. 178.106 EUR ­mit den Fondserträgen i.H.v. 113.114,26 EUR und 16.370,47 EUR zu, stellte jedoch den verbleibenden Verlustvortrag zum Schluss des VZ 2008 gemäß § 20 Abs. 2b i.V.m. § 15b Abs. 4 EStG gesondert fest. Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.9.2014, 10 K 1693/12, Haufe-Index 7553417, EFG 2015, 384) hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Der BFH hat in der Besprechungsentscheidung geklärt, dass allein hohe Zwischengewinne beim Erwerb von Investmentanteilen nicht zu einem Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG führen. Nach § 20 Abs. 2b Satz 1 EStG i.d.F. des Streitjahres 2008 (§ 20 Abs. 7 Satz 1 EStG n.F.) ist § 15b EStG auf Kapitaleinkünfte sinngemäß anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass Verluste aus einem Steuerstundungsmodell nur mit Einkünften aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden können.

2. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollte ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b Abs. 2 EStG generell dann vorliegen, wenn der Zwischengewinn beim Erwerb von Anteilen aus einem Investmentfonds 10 % des Kaufpreises der Anteile übersteigt. Der BFH hat dieser Ansicht eine Absage erteilt. Dabei hat er offengelassen, ob es sich bei dem Zwischengewinn überhaupt um (unangemessene) Aufwendungen zur Erzielung von Kapitaleinkünften i.S.d. § 15b EStG handelt, was er für zweifelhaft hält.

3. Nach Auffassung des BFH hat das FG das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells zu Recht verneint. Es fehlte an einer modellhaften Gestaltung i.S.d. § 15b Abs. 2 EStG. So konnte nicht festgestellt werden, dass der X-Fonds gezielt aufgelegt worden war, um einen Steuerspareffekt zu erzielen. Das Aktienportfolio des X-Fonds wies überwiegend namhafte, börsennotierte Unternehmen auf, was eine dauerhafte Auszahlung von Dividenden und damit eine Einkunftserzielungsabsicht gewährleistete. Zudem war die Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 15b EStG nicht schlüssig, weil systembedingt dem negativen Zwischengewinn des Erwerbers ein ebenso hoher positiver Zwischengewinn des Veräußerers der Fondsanteile gegenüberstand. Da der Erwerb der Investmentanteile nicht fremdfinanziert wurde, fehlt es auch an einer Bündelung von Haupt- und Nebenleistungen durch den Anbieter, die für die Modellhaftigkeit einer Gestaltung ein Indiz sein kann.

4. Eine Einschränkung der Verlustverrechnung folgt auch nicht aus § 20 Abs. 2b Satz 2 EStG (§ 20 Abs. 7 Satz 2 EStG n.F.). Nach dieser Vorschrift soll ein vorgefertigtes Konzept auch dann vorliegen, "wenn die positiven Einkünfte nicht der tariflichen Einkommensteuer unterliegen". Zwar genügt die Vorschrift nach Auffassung des BFH den Bestimmtheitsanforderungen des Rechtsstaatsprinzips. Sie führt nach ihrem Wortlaut jedoch nicht zu dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, die Ausnutzung der Steuersatzspreizung bei der Einführung der Abgeltungsteuer als Missbrauch zu verhindern.

5. Da es sich bei der ESt um eine Jahressteuer handelt, liegt nach Auffassung des BFH jedenfalls dann kein Steuerstundungsmodell nach § 20 Abs. 2b Satz 2 EStG (§ 20 Abs. 7 Satz 2 EStG n.F.) vor, wenn die im VZ erzielten positiven Kapitaleinkünfte dem progressiven ESt-Tarif des § 32a EStG unterliegen. Dies war vorliegend der Fall, da die Kapitaleinkünfte der Kläger im Streitjahr 2008 dem progressiven Steuertarif des § 32a EStG unterlagen.

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