Leitsatz

1. "Sondervermögen" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG sind Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) i.S. der Richtlinie 85/611/EWG und diesen Organismen ähnliche Fonds.

2. Ähnlich in diesem Sinne sind Fonds, die gleiche Merkmale aufweisen wie OGAW und vergleichbare Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen, was zumindest voraussetzt, dass das nationale Recht eine besondere staatliche Aufsicht für solche Vermögen vorsieht.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 8 Buchst. e und h UStG, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 6. EG-RL (= EWGRL 388/77), Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 EWGRL 611/85, § 1 Abs. 3 KAGG, § 6 Abs. 1 InvG, §§ 6 ff. WpHG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens ist, namentlich die Übernahme der Geschäftsführung und Vertretung solcher Gesellschaften, die eigenes Vermögen verwalten. Die Klägerin initiierte die Gründung von fünf jeweils in der Rechtsform der GbR geführten Fondsgesellschaften. Am 21.6.1996 schloss die Klägerin mit den fünf Fondsgesellschaften gleichlautende Vermögensverwaltungsverträge ab. Danach übernahm die Klägerin die Vermögensverwaltung der Fondsgesellschaften zum 1.7.1996. Die Verwaltung der Vermögenswerte erfolgte gemäß den vereinbarten Anlagerichtlinien ohne vorherige Einholung von Weisungen. Die Klägerin war berechtigt, An- und Verkäufe von Wertpapieren und Optionen vorzunehmen, Wertpapiere zu konvertieren oder umzutauschen, Bezugsrechte auszuüben, zu kaufen oder zu verkaufen, Devisen anzuschaffen oder zu veräußern sowie alle übrigen Maßnahmen zu treffen, die bei der Verwaltung der Vermögenswerte als zweckmäßig erscheinen.

Das FA unterwarf die Umsätze der Klägerin für die Jahre 1998 bis 2004 der Regelbesteuerung. Das FG (FG Köln, Urteil vom 9.12.2015, 3 K 1076/11, Haufe-Index 9460288, EFG 2016, 1296) gab der Klage statt, da sich die Klägerin auf eine Steuerfreiheit nach dem Unionsrecht berufen könne.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Es handele sich nicht um eine nach der Richtlinie steuerfreie Verwaltung von Sondervermögen.

 

Hinweis

1. Die Umsätze einer Aktiengesellschaft, die eigenes und fremdes Vermögen verwaltet und dabei Vermögensverwaltungsleistungen für Anleger ohne investmentrechtliche Bindungen erbringt, sind nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG steuerfrei.

2. Es handelt sich auch nicht um die steuerfreie Verwaltung eines Sondervermögens nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL), da die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens nicht darauf gerichtet ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren anzulegen.

Führt die Aktiengesellschaft die Geldanlage über von ihr gegründete GbRs durch, sind auch diese nicht als Sondervermögen anzusehen. Für den Begriff des Sondervermögens orientiert sich die Rechtsprechung an der sog. OGAW-RL. Danach kommt es für das Vorliegen eines Sondervermögens insbesondere auf eine Zulassung an (Art. 4 Abs. 1 der OGAW-Richtlinie). Eine derartige Zulassung fehlt vermögensverwaltenden GbRs. Auch eine Vergleichbarkeit mit einem OGAW kommt ohne besondere staatliche Aufsicht nach nationalem Recht für solches Vermögen nicht in Betracht.

3. Der BFH lehnt damit eine Steuerfreiheit für Vermögensverwaltungsleistungen auf dem grauen Kapitalmarkt ab.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 5.9.2019 – V R 2/16

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