Leitsatz

1. Besitz- und Betriebsunternehmen sind im Zulagenrecht auch dann einheitlich zu betrachten (sog. Merkmalszurechnung), wenn beide Kapitalgesellschaften sind. Eigengewerbliche Tätigkeiten der Besitzgesellschaft stehen dem nicht entgegen.

2. Ein vom Betriebsunternehmen angeschafftes Wirtschaftsgut gehört im zulagenrechtlichen Sinn weiterhin zu dessen Anlagevermögen, wenn es nach Veräußerung an das Besitzunternehmen aufgrund eines Leasingverhältnisses weiter genutzt wird (Sale-and-lease-back-Vertrag).

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 4a InvZulG 1999

 

Sachverhalt

Eine GmbH im Fördergebiet erwarb eine Fertigungsstraße, für die ihr unter Nachprüfungsvorbehalt Investitionszulage gewährt wurde. Vor Ablauf der Bindungsfrist veräußerte sie die Fertigungsstraße an ihre außerhalb des Fördergebiets ansässige Muttergesellschaft, die Klägerin (ebenfalls eine GmbH), auf die sie später verschmolzen wurde. Die Fertigungsstraße wurde aufgrund eines zugleich abgeschlossenen Leasingvertrags weiterhin von der GmbH im Fördergebiet genutzt. Der Leasingvertrag führte zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an der Fertigungsstraße auf die Klägerin; spätestens dadurch entstand eine unechte kapitalistische Betriebsaufspaltung.

Das FA setzte die InvZul durch Änderungsbescheid herab, weil die Fertigungsstraße nicht während der gesamten Bindungsfrist zum Betriebsvermögen der GmbH gehört habe. Das FG gab der Klage statt (Thüringer FG, Urteil vom 20.02.2008, III 1339/04, Haufe-Index 2006155, EFG 2008, 1142).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Eine Investitionszulage wird für die Anschaffung abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter gewährt, die nach ihrer Anschaffung während der Bindungsfrist – im Streitjahr drei, derzeit fünf Jahre – zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören (Zugehörigkeitsvoraussetzung).

2. Wenn ein außerhalb des Fördergebiets ansässiges Besitzunternehmen investiert und das Wirtschaftsgut dem Betriebsunternehmen im Fördergebiet überlässt, kann die Zugehörigkeitsvoraussetzung nach ständiger Rechtsprechung durch sog. Merkmalsübertragung erfüllt werden: Die Betriebsstätte des Betriebsunternehmens wird dem Besitz­unternehmen zugerechnet und die rechtliche Selbstständigkeit beider Unternehmen insoweit ignoriert. Andere Verflechtungen als die Betriebsaufspaltung erlauben diese Merkmalsübertragung nicht (z.B. Organschaft, vgl. BFH, Urteil vom 20.05.1988, III R 86/83, Haufe-Index 62265, BStBl II 1988, 739, oder Einzelunternehmer und seine Einmann-GmbH & Co. KG, vgl. BFH, Urteil vom 20.03.2003, III R 50/96, BFH/NV 2003, 1015, BFH/PR 2003, 365). Die einheitliche Betrachtung gilt, wie der BFH bereits mehrfach angedeutet, aber noch nicht entschieden hat, auch bei der sog. kapitalistischen Betriebsaufspaltung.

Eine entsprechende einheitliche Betrachtungsweise liegt z.B. auch den BFH-Urteilen vom 29.03.2006, X R 59/00 (BFH/NV 2006, 1407, BFH/PR 2006, 304 – Erstreckung der GewSt-Befreiung der Betriebskapitalgesellschaft auf das Besitzpersonenunternehmen) und vom 29.11.2007, IV R 82/05 (BFH/NV 2008, 1025, BFH/PR 2008, 251 – Verbleibensvoraussetzungen der Ansparrücklage bei Betriebsaufspaltung mit mittelbarer personeller Verflechtung) zugrunde.

3. Anderweitige eigengewerbliche Betätigungen der Besitzkapitalgesellschaft stehen der Annahme einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung nicht entgegen. Auch die Merkmalsübertragung wird durch anderweitige gewerbliche Aktivitäten des Besitz­unternehmers nicht ausgeschlossen (BFH, Urteil vom 10.12.1998, III R 50/95, BFH/NV 1999, 879 – einzelunternehmerischer Bäckermeister in Niedersachen überlässt seiner GmbH im Fördergebiet ein bebautes Grundstück).

4. Erfüllen sowohl das Betriebsunternehmen im Fördergebiet als auch das außerhalb des Fördergebiets ansässige Besitzunternehmen (mittels Zurechnung der Betriebsstätte des Betriebsunternehmens) die Voraussetzungen des § 2 InvZulG, dann ist wegen der einheitlichen Betrachtung auch ein Wechsel des wirtschaftlichen Eigentums vom Betriebs- zum Besitzunternehmen (und zweifellos auch umgekehrt) unschädlich, sofern das WG im Fördergebiet verbleibt (Verbleibensvoraussetzung).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.05.2010, III R 28/08

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