Leitsatz

Hat der Steuerpflichtige eine fondsgebundene Kapitallebensversicherung gegen eine fremdfinanzierte Einmalzahlung abgeschlossen, die zu nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2002 steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen führt, und waren dabei vertraglich vierteljährliche Teilauszahlungen an den Steuerpflichtigen vorgesehen, hat der Steuerpflichtige jedoch im Einvernehmen mit dem Versicherer auf diese Teilauszahlungen von Anfang an zu Gunsten einer Thesaurierung verzichtet, so ist hinsichtlich der Teilauszahlungen von einem Zufluss von Kapitaleinkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG durch Schuldumschaffung (Novation) auszugehen.

 

Sachverhalt

Im Kalenderjahr 2000 schloss der Steuerpflichtige mit einer Versicherungsgesellschaft eine Kapitallebensversicherung gegen Einmalzahlung ab. Versicherungsbeginn war der 10.1.2001. Die Policenlaufzeit betrug 35 Jahre. Als Ablaufdatum war der 10.1.2036 vereinbart. Ab dem 1.3.2001 waren regelmäßige vierteljährliche Auszahlungen an den Steuerpflichtigen zu leisten, letztmals am 1.12.2010. Am 1.12.2010 sollte noch eine sonstige Auszahlung erfolgen. Darüber hinaus sollten dem Steuerpflichtigen in der "Auszahlungsphase" 20 Jahre lang jährlich ein bestimmter Betrag ausgezahlt werden. Die vierteljährlichen Teilzahlungen erfolgten indessen nicht, weil der Steuerpflichtige im Januar 2001 ggü. der Versicherungsgesellschaft - im Einverständnis mit seiner Bank - erklärte, dass diese auf 0 DM reduziert werden sollten. Die Versicherungsgesellschaft erwiderte darauf, dass die Teilzahlungen nicht rückwirkend in den Vertrag, sondern nur zum aktuellen Wert und Datum reinvestiert werden könnten. Streitig war nun i. R. d. Einkommensteuerveranlagungen für 2002 und 2003 u.a., ob dem Steuerpflichtigen trotz des Verzichts auf die vertraglich vereinbarten Teilauszahlungen Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) zugeflossen waren.

 

Entscheidung

Das FG entschied, dass die vertraglich vereinbarten Teilauszahlungen Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG darstellen, die dem Steuerpflichtigen trotz seines Verzichts auf die tatsächliche Auszahlung i. S. v. § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen sind. Im Streitfall wurde der Zufluss der stehengelassenen Teilauszahlungsbeträge durch eine Schuldumwandlung bewirkt. Der Zufluss i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG kann nämlich durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, so dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In einer solchen Schuldumwandlung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch Zahlung beglichen und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte. Die Novation stellt sich dann als eine bloße Verkürzung des Leistungswegs dar. Die Novation muss sich zudem als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Steuerpflichtigen) über den Gegenstand der Altforderung darstellen, also auf seinem freien Entschluss beruhen. Auch im Fall der Novation kommt es grundsätzlich darauf an, ob der Gläubiger (Steuerpflichtige), wenn er sich für eine Auszahlung entschieden hätte, in der Lage gewesen wäre, den Leistungserfolg in Gestalt der Vereinnahmung des gutgeschriebenen Betrages ohne weiteres Zutun des leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen. Im Streitfall lag eine Schuldumwandlung (Novation) in diesem Sinne vor. Die thesaurierten Erträge sind dem Steuerpflichtigen auch hierdurch im jeweiligen vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt zugeflossen. Denn in jedem Quartal hatte er einen ausdrücklich vereinbarten Zahlungsanspruch. Indem der Steuerpflichtige auf die vereinbarte vierteljährliche Teilauszahlung "verzichtet" hatte, wurde die bestehende Verpflichtung der Versicherungsgesellschaft zur Auszahlung der Beträge durch eine andere, neue Verpflichtung (die Verstärkung der Kapitalbasis) ersetzt.

 

Hinweis

Bei einer Novation ist von Bedeutung, in wessen Interesse die Novation erfolgt. Liegt sie im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers, indiziert dies dessen Verfügungsmacht über den Gegenstand der Altforderung. Erfolgt sie dagegen im Interesse des Schuldners, kann es sich um eine modifizierte Stundungsvereinbarung handeln.

 

Link zur Entscheidung

FG des Saarlandes, Urteil vom 07.12.2011, 1 K 1058/08

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