Leitsatz

1. Leistet der Arbeitgeber aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 115 SGB X eine Lohnnachzahlung unmittelbar an die Arbeitsverwaltung, führt dies beim Arbeitnehmer zum Zufluss von Arbeitslohn.

2. Unterliegt der Nachzahlungsbetrag sowohl der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG als auch dem negativen Progressionsvorbehalt des § 32b EStG, so ist eine integrierte Steuerberechnung nach dem Günstigkeitsprinzip vorzunehmen. Danach sind die Ermäßigungsvorschriften in der Reihenfolge anzuwenden, die zu einer geringeren Steuerbelastung führt, als dies bei ausschließlicher Anwendung des negativen Progressionsvorbehalts der Fall wäre.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 2, § 11 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32a Abs. 1, § 32b EStG, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, § 115 Abs. 1 SGB X, § 143 Abs. 3 Satz 2 SGB III, § 407 Abs. 1, § 412 BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1996 als Wachmann bei der A-GmbH beschäftigt. Zwischen dem Kläger und der A-GmbH kam es nach einer im Jahr 1997 ausgesprochenen Änderungskündigung der A-GmbH zu einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht, in dessen Verlauf der Kläger in den Jahren 1997 und 1998 vom Arbeitsamt Arbeitslosengeld i.H.v. 21 149 DM erhielt. Nach ihrer Verurteilung zur Nachzahlung von Lohn i.H.v. 56 061 DM für die Jahre 1997 und 1998 leistete die A-GmbH im Streitjahr (1999) die Lohnnachzahlung, wobei sie einen Teilbetrag von 21 149 DM unmittelbar an das Arbeitsamt zahlte (Rückzahlungsbetrag).

Im Anschluss an eine LSt-Außenprüfung bei der A-GmbH änderte das FA den ESt-Bescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und erhöhte den Bruttoarbeitslohn um die Lohnnachzahlung der A-GmbH. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers hatte nur insoweit Erfolg, als das FA in Höhe des Rückzahlungsbetrags einen negativen Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG berücksichtigte und die festgesetzte ESt auf 23 315 DM verminderte. Zu dem Hilfsantrag des Klägers, eine Besteuerung der Lohnnachzahlung gem. § 34 EStG a.F. vorzunehmen, führte das FA in der Begründung der Einspruchsentscheidung aus, dass eine Anwendung dieser Vorschrift unterblieben sei, da eine Prüfberechnung für diesen Fall eine höhere Steuerfestsetzung ergeben habe.

Mit seiner Klage vor dem FG begehrte der Kläger die Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage um den Rückzahlungsbetrag unter Wegfall des negativen Progressionsvorbehalts. Im Klageverfahren legte das FA eine Steuerberechnung vor, aus der sich bei Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG a.F. für das Streitjahr eine festzusetzende ESt von 27 724 DM ergeben hätte.

Das FG gab der Klage statt (EFG 2004, 185). Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, der Rückzahlungsbetrag sei dem Kläger im Streitjahr nicht zugeflossen, da der Kläger auf diesen in keiner Weise Zugriff erlangt habe. Der Kläger sei im Streitjahr weder Inhaber der Lohnforderung gewesen noch durch die Zahlung an das Arbeitsamt von einer Schuld befreit worden.

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hob der BFH das vorinstanzlichen Urteil auf und wies die Klage überwiegend ab.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sei dem Kläger im Streitjahr Arbeitslohn auch in Höhe des Rückzahlungsbetrags zugeflossen. Dieser Betrag unterliege der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG a.F.. In gleicher Höhe erhaltenes und an das Arbeitsamt zurückgezahltes Arbeitslosengeld führe steuerlich zur Berücksichtigung eines negativen Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 EStG. Die Steuer sei nach der -- in den Praxis-Hinweisen erläuterten -- Methode zu berechnen. Entsprechend dem Günstigkeitsprinzip seien die ermäßigt besteuerten außerordentlichen Einkünfte bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes i.S.d. § 32b EStG einzubeziehen. Im Streitfall sei die Fünftelregelung im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts anzuwenden.

 

Hinweis

Wie sich auch aus den Leitsätzen ergibt, hatte der BFH in der Besprechungsentscheidung über zwei Fragen zu entscheiden.

1. Zunächst war streitig, ob ein Zufluss von Arbeitslohn beim Arbeitnehmer auch dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber bei einer Lohnnachzahlung einen (Teil-)Betrag aufgrund eines gesetzlichen Forderungsübergangs unmittelbar an den Zessionar (hier Arbeitsamt) zahlt. Dies hat der BFH bejaht.

Wesentlich waren insoweit folgende Gesichtspunkte: Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass dem Steuerpflichtigen Einnahmen dann zugeflossen sind, wenn er über sie wirtschaftlich verfügen kann und damit bei ihm eine Vermögensmehrung eingetreten ist. Unerheblich ist, in welcher Form die wirtschaftliche Verfügungsmacht übergeht; der Steuerpflichtige erlangt diese auch dann, wenn der Geld- oder Sachwert im abgekürzten Zahlungsweg an einen Dritten für Rechnung des Steuerpflichtigen geleistet wird.

Hat ein Arbeitgeber (etwa wie hier nach einem Arbeitsgerichtsprozess) Lohn nachzuzahlen, so ist diese Nachzahlung auch dann beim Arbeitnehmer als zugeflossen zu behandeln, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer gesetzlichen Überleitung des Lohnanspruchs nach § 115 SGB X...

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