Leitsatz

1. Für die Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S. des § 15b Abs. 1 EStG ist Voraussetzung, dass auf ein vorgefertigtes Konzept i.S. des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG zurückgegriffen wird. Das bloße Aufgreifen einer bekannten Gestaltungsidee führt nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstundungsmodells.

2. Das vorgefertigte Konzept muss von einer vom Steuerpflichtigen verschiedenen Person (Anbieter/Initiator) erstellt worden sein. Charakteristisch ist insoweit die Passivität des Investors/Anlegers.

3. Setzt der Investor/Anleger eine von ihm selbst oder dem in seinem Auftrag tätigen Berater entwickelte oder modifizierte und individuell angepasste Investition um, liegt kein vorgefertigtes Konzept vor.

4. Beruhen Investitionen nicht auf einem vorgefertigten Konzept, sondern auf einer individuellen Gestaltung, so sind sie weder von § 15b EStG erfasst, noch als vom Gesetz missbilligte Gestaltung i.S. des § 42 Abs. 1 AO zur Vermeidung der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG anzusehen.

 

Normenkette

§ 15b, § 20 Abs. 2b EStG, § 42 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine KG, deren Komplementärin eine weder am Gewinn noch am Verlust beteiligte GmbH ist. Alleinige und geschäftsführende Kommanditistin der Klägerin war im Streitjahr die Beigeladene. Diese beauftragte im Jahr 2006 einen von ihrem Anlageberater empfohlenen Rechtsanwalt und Steuerbe­rater (R) mit der Erstellung "einer Struktur" für den Erwerb einer Schuldverschreibung über die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (sog. "Asset Linked Note"). Daraufhin nahm R Kontakt zu vier Banken auf. R setzte sich nach einer individuellen Berechnung der Investition mit dem Kreditinstitut B zwecks Realisierung der Emission einer Schuldverschreibung zu den errechneten Konditionen in Verbindung. Er verhandelte mit B über die Konditionen der Schuldverschreibung und des der Finanzierung dienenden Darlehens.

Am gleichen Tag erfolgte die Gründung der Klägerin, deren Zweck der Erwerb und die Verwaltung der Anleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren sein sollte. Die Dauer der Gesellschaft war bis zur Endfälligkeit der Anleihen befristet. Die für die Gründung erforderlichen Verträge fertigte R.

Am 19.12.2006 zeichneten die Beigeladene für die Klägerin Schuldverschreibungen. Mit Darlehensvertrag vom 20.12.2006 gewährte B der Klägerin ein Darlehen zur Finanzierung des Erwerbs der gezeichneten Schuldverschreibungen zuzüglich eines Disagios. Die Laufzeit des Darlehens betrug zehn Jahre. Das Disagio war am Tag der Darlehensauszahlung zu entrichten und wurde bei der Auszahlung vom Bruttodarlehensbetrag einbehalten. Die Darlehenszinsen waren vorschüssig jeweils zum 20. Dezember eines Jahres zu zahlen. Die Forderungen des B aus dem Darlehensvertrag wurden durch die Verpfändung der von der Klägerin erworbenen Schuldverschreibungen besichert. In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2006 erklärte die Klägerin dementsprechend negative Einkünfte aus Kapitalvermögen

Das FA stellte mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG Einnahmen der Klägerin i.H.v. 0 EUR sowie Werbungskosten zu ausländischen Zinsen und anderen Erträgen ohne Dividenden fest, die unter § 20 Abs. 2b i.V.m. § 15b EStG fielen. Der Beigeladenen wurde der Gesamtbetrag als Werbungskosten zugerechnet. Darüber hinaus stellte das FA einen nicht ausgleichs‐/abzugsfähigen Verlust des Wirtschaftsjahres sowie einen steuerpflichtigen verrechenbaren Verlust am Ende des Wirtschaftsjahres in gleicher Höhe fest. Die hiergegen erhobene Sprungklage blieb ohne Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 17.10.2012, 1 K 2343/08, Haufe-Index 3598167, EFG 2013, 510).

 

Entscheidung

Der BFH hat der Revision der Klägerin stattgegeben und das Urteil des FG und die im Feststellungsbescheid enthaltene Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes aufgehoben.

 

Hinweis

1. Nach Auffassung des BFH ist die Regelung des § 15b EStG verfassungsgemäß. Der VIII. Senat schließt sich der Auffassung des IV. Senats an, dass § 15b EStG bezogen auf das Tatbestandsmerkmal einer "modellhaften Gestaltung" hinreichend bestimmt ist (BFH, Urteil vom 6.2.2014, IV R 59/10, BFHE 244, 385, BStBl II 2014, 465, BFH/NV 2014, 774, BFH/PR 2014, 184).

2. Das Besprechungsurteil stellt durch eine negative Abgrenzung klar, unter welchen Voraussetzungen kein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG vorliegt. Danach ist eine rechtliche Gestaltung, die auf steuerliche Vorteile durch Verlustverrechnung ausgelegt ist, allein nicht ausreichend. Voraussetzung für die Annahme eines Steuerstundungsmodells ist vielmehr, dass auf ein vorgefertigtes Konzept i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG zurückgegriffen wird. Das bloße Aufgreifen einer in Fachkreisen bekannten Gestaltungsidee mit dem Ziel einer sofortigen Verlustverrechnung reicht nicht aus.

3. Zudem muss das vorgefertigte Konzept von...

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