Zusammenfassung

 
Überblick

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. d. § 37 Abs. 1 AO werden gem. § 233 Satz 1 AO nur verzinst, soweit dies durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union vorgeschrieben ist. Dazu zählen:

  • Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuer­erstattungen in § 233a AO
  • Stundungszinsen in § 234 AO
  • Verzinsung hinterzogener Steuern in § 235 AO
  • Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung in § 237 AO
  • Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge in § 236 AO.

Zinsen gehören zu den steuerlichen Nebenleistungen i. S. d. § 3 Abs. 4 AO. Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen (und die entsprechenden Erstattungsansprüche) werden gem. § 233 Satz 2 AO nicht verzinst. Es gibt also z. B. keine Stundungszinsen, wenn Zinsen oder Verspätungszuschläge gestundet werden.

Der Zinssatz beträgt bei der Vollverzinsung für den Zeitraum ab dem 1.1.2019 0,15 % (§ 238 Abs. 1a AO) und davor sowie bei allen anderen Zinsarten 0,5 % für jeden vollen Monat (§ 238 Abs. 1 AO). Angefangene Monate bleiben also unberücksichtigt. Der zu verzinsende Betrag ist jeweils auf den nächsten durch 50 EUR teilbaren Betrag abzurunden (§ 238 Abs. 2 AO).

Zinsen werden in einem Zinsbescheid festgesetzt (§ 239 Satz 1 AO). Sie unterliegen der Festsetzungsverjährung. Die Festsetzung unterbleibt, wenn die Zinsen weniger als 10 EUR betragen.

Von den Zinsen sind die Säumniszuschläge zu unterscheiden, die in der Wirkung Zinsen gleichkommen. Säumniszuschläge werden gem. § 240 AO erhoben, wenn der Steuerpflichtige eine Zahlung nicht bei Fälligkeit leistet.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Gesetzliche Regelungen finden sich in den §§ 233239 AO, Verwaltungsanweisungen im AEAO zu §§ 233a239 AO sowie in den AEAO ergänzenden BMF-Schreiben.

1 Neuregelung des Zinssatzes bei der Vollverzinsung

Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung der AO und des EGAO v. 12.7.2022[1] hat der Gesetzgeber den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts v. 8.7.2021[2], bis Ende Juli 2022 für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 bei der Vollverzinsung nach § 233a AO eine rückwirkende Anpassung des Zinssatzes vorzunehmen, erfüllt. Abweichend von dem für alle anderen Zinsen i. S. d. § 233 AO (insbesondere Stundungs-, Hinterziehungs-, Aussetzungs- und Prozesszinsen) unverändert geltenden Zinssatz von 0,5 % pro vollen Monat[3], also 6 % pro Jahr, beträgt er für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 0,15 % pro Monat, d. h. 1,8 % pro Jahr.[4]

Der nur für die Vollverzinsung nach § 233a AO geltende neue Zinssatz von 0,15 % für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 ist weiterhin als starrer Zinssatz ausgestaltet. Dessen Angemessenheit ist allerdings unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB alle 2 Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume zu evaluieren, erstmals zum 1.1.2024.[5] Eine Änderung des Zinssatzes soll nach der Gesetzesbegründung möglichst erst dann erfolgen, wenn der zum 1. Januar des Jahres der Evaluation geltende Basiszinssatz um mehr als 1 Prozentpunkt von dem bei der letzten Festlegung oder Anpassung des Zinssatzes geltenden Basiszinssatz abweicht.

Zeitgleich zur Verkündung des Gesetzes am 21.7.2022 hat die Finanzverwaltung am 22.7.2022 – in Ergänzung des AEAO – ein umfangreiches Anwendungsschreiben herausgegeben.[6]

Die Absenkung des Zinssatzes gilt zum einen in allen Fällen, in denen Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 nach Verkündung des Gesetzes, also am 21.7.2022, erstmals festgesetzt werden.

Nach der Anwendungsregelung in Art. 97 § 15 Abs. 14 Satz 1 EGAO gilt sie zum anderen – vorbehaltlich der Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (s. u.) – aber auch rückwirkend in allen Verfahren, die am 21.7.2022 noch anhängig waren. Dies sind die Verfahren, in denen

  • aufgrund eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten war.
 
Hinweis

Herabsetzung von Nachzahlungszinsen nur noch in "offenen" Verfahren

Bereits seit dem 2.5.2019 waren Zinsen nach § 233a AO vorläufig festgesetzt worden.[7] "Durch das Raster" der Rückwirkung der Zinssatzsenkung konnten damit nur solche Zinsen fallen, die in der kurzen Zeit zwischen dem 1.1. und 2.5.2019 endgültig (also auch ohne Vorbehalt der Nachprüfung) und – mangels fristgemäßem Rechtsbehelf – unanfechtbar festgesetzt worden waren. Profitieren von der Zinssatzsenkung in Form der entsprechenden Herabsetzung von Nachzahlungszinsen konnte folglich nur derjenige, dessen Verfahren am 21.7.2022 noch offen war.

Die offenen Verfahren müssten inzwischen abgewickelt sein. Andernfalls ist dringend zu empfehlen, je nach Verfahrensstand auf deren Erledigung hinzuwirken und den entsprechenden Antrag zu stellen.

 
Wichtig

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