Rz. 65

Der steuerrechtliche Begriff des gemeinen Werts spielt für die Steuerbilanz keine nennenswerte Rolle. In den Bewertungsregelungen der §§ 6 und 7 EStG taucht dieser Begriff nur im Zusammenhang mit Einlagen, Entnahmen und Veräußerungen (§§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 6 Abs. 6 EStG und in § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG) auf.

 

Rz. 66

Die Definition des gemeinen Werts findet sich in § 9 Abs. 2 BewG. Danach ist der gemeine Wert "durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre". Das Einkommensteuerrecht kennt keine eigene Definition des gemeinen Wertes. Zur Frage, was ein "gewöhnlicher Geschäftsverkehr" ist, hat der BFH festgestellt: Wenn sowohl normale Verkäufe als auch im Zwangsversteigerungsverfahren erzielte Erlöse vorliegen, ist zur Ermittlung des gemeinen Werts allein auf die normalen Verkäufe abzustellen. Dies kann aber im Einzelfall ausnahmsweise anders sein, wenn es auf dem maßgebenden örtlichen Grundstücksmarkt (nahezu) keine Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, sondern (nahezu) ausschließlich Zwangsversteigerungen gibt, weil dann die Zwangsversteigerung zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr wird.[1]

 

Rz. 67

Beim gemeinen Wert handelt es sich um den Einzelveräußerungswert (Verkehrswert), zu dessen Ermittlung alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu beachten sind; lediglich ungewöhnliche oder persönliche Umstände bleiben außer Betracht. Der gemeine Wert ist identisch mit jenem Betrag, der bei einem Verkauf des Wirtschaftsguts als Bar- oder Bankzahlung zu erhalten wäre (exit value). Durch diese Wertermittlung stellt sich der gemeine Wert per Definition als objektiver Wert dar, was mehr oder weniger subjektive Einflüsse bei der praktischen Wertermittlung keinesfalls ausschließt.

 

Rz. 68

Für die Bilanzierung ist der gemeine Wert vor allem in 3 Fällen heranzuziehen:

  1. Bewertung eines durch Tausch erworbenen Wirtschaftsguts,[2]
  2. Bewertung eines aus betrieblichem Anlass unentgeltlich aus einem anderen Betriebsvermögen erworbenen Wirtschaftsgutes,[3]
  3. Bewertung einer Sacheinlage (Identität von Teilwert und gemeinem Wert bei Betriebseröffnung[4]).

Weiterhin ist der gemeine Wert im Rahmen der Teilwertermittlung als Wertuntergrenze für die Bestimmung des Teilwerts zu beachten.[5]

 

Rz. 69

Eine grundsätzliche, definitionsgemäße Übereinstimmung des gemeinen Werts mit einem anderen Zeitwert besteht nur hinsichtlich eines Börsen- oder Marktpreises im Veräußerungsfall. Jedoch kann der gemeine Wert mit dem beizulegenden Wert bzw. mit dem Wert gem. § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG identisch sein.

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