Sachverhalt

Bei dem bulgarischen Verfahren ging es um Fragen der Umsatzbesteuerung bei Tauschumsätzen und um die Auslegung der Art. 63, 65, 73 und 80 MwStSystRL. Streitig war, ob ein Mitgliedstaat den Steuertatbestand für eine Leistung schon in dem früheren Zeitpunkt der Erbringung der Gegenleistung als verwirklicht betrachten (Anzahlungsbesteuerung) und als Bemessungsgrundlage den Normalwert der Gegenleistung zugrunde legen darf.

Nach Art. 130 des BG-UStG gilt: Wenn ein Umsatz vorliegt, bei dem das Entgelt (vollständig oder teilweise) in Gegenständen oder Dienstleistungen bestimmt ist, wird angenommen, dass zwei im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Umsätze vorliegen, wobei jeder der Lieferer als Verkäufer dessen angesehen wird, was er gibt, und als Käufer dessen, was er erhält. Der Steuertatbestand tritt für beide Umsätze zum Zeitpunkt des Eintretens des Steuertatbestands des früheren der beiden Umsätze ein.

Die Anzahlungsbesteuerung ist in Art. 25 Abs. 6 BG-UStG geregelt: Wenn vor dem Eintreten des Steuertatbestands eine vollständige oder teilweise Vorauszahlung für eine Lieferung oder Dienstleistung erfolgt, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung der Zahlung (entsprechend dem vereinnahmten Betrag), es sei denn, die Zahlung erfolgt im Zusammenhang mit einer innergemeinschaftlichen Lieferung.

Art. 26 Abs. 7 BG-UStG regelt die Bemessungsgrundlage im Fall des Tausches: Wenn das Entgelt vollständig oder teilweise in Gegenständen oder Dienstleistungen bestimmt ist (die Zahlung erfolgt vollständig oder teilweise in Gegenständen oder Dienstleistungen), ist die Steuerbemessungsgrundlage der Normalwert des gelieferten Gegenstands oder der erbrachten Leistung, berechnet zu dem Zeitpunkt, zu dem der Steueranspruch entstanden ist.

Mit notarieller Urkunde vom 3. April 2008 über die Übertragung des Eigentumsrechts und die Begründung eines Erbbaurechts gegen eine Bauverpflichtung begründeten vier natürliche Personen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer ein Erbbaurecht für die Klägerin, kraft dessen sie ein Apartmenthotel errichten sollte. Zwei Tage nach Abschluss des Rechtsgeschäfts stellte die Klägerin den Eigentümern und Begründern des Erbbaurechts Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis aus, in denen der Vorgang folgendermaßen umschrieben wurde: "Erbbaurecht gemäß notarieller Urkunde begründet".

Die bulgarische Finanzverwaltung war der Auffassung, dass der Zeitpunkt der Begründung des Erbbaurechts für die Klägerin der Zeitpunkt gewesen sei, zu dem der Steuertatbestand für die Erbringung der Bauleistung der Klägerin an die das Erbbaurecht begründenden natürlichen Personen eingetreten sei. Als Bemessungsgrundlage wurde der "Normalwert" des Erbbaurechts bestimmt. Nach Auffassung der bulgarischen Finanzverwaltung gestattet Art. 66 MwStSystRL vorzusehen, dass der Steueranspruch für bestimmte Umsätze oder Gruppen von Steuerpflichtigen zu einem der folgenden Zeitpunkte entstehe: spätestens bei der Ausstellung der Rechnung, im Fall der Nichtausstellung oder verspäteten Ausstellung der Rechnung binnen einer bestimmten Frist nach dem Eintreten des Steuertatbestands und spätestens bei der Vereinnahmung des Preises. In diesem Sinne vertrat sie den Standpunkt, dass der nationale Gesetzgeber neben den allgemeinen Regeln für den Steueranspruch, die in Art. 25 BG-UStG zum Ausdruck kämen, eine spezielle Norm vorgesehen habe, die den Zeitpunkt des Eintretens des Steuertatbestands und entsprechend des Entstehens des Steueranspruchs bezeichne (Art. 130 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 6 BG-UStG); danach bestehe ein Steueranspruch, bevor die Dienstleistung erbracht worden sei.

Die Klägerin trug vor, dass zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung der Begründung des Erbbaurechts für keinen der beiden Umsätze ein Steuertatbestand eingetreten sei. Auch war sie der Auffassung, dass sie das Erbbaurecht verloren habe, weil sie das Gebäude nicht innerhalb der vereinbarten Frist errichtet habe, wofür sie den Eigentümern Schadensersatz schulde.

 

Entscheidung

Der EuGH hat unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung zur Anzahlungsbesteuerung (vgl. EuGH, Urteil v. 21.2.2006, C-419/02 (BUPA Hospitals und Goldsborough Developments) entschieden, dass die Bestellung des Erbaurechts als Gegenleistung für die zu erbringende Bauleistung grundsätzlich der Anzahlungsbesteuerung für die Bauleistung unterliegen kann. Voraussetzung ist, alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestands, d. h. der künftigen Lieferung oder der künftigen Dienstleistung (hier der Bauleistung), bereits bekannt und somit insbesondere die Gegenstände oder die Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind.

Weiterhin hat der EuGH entschieden (dies ist eine Fortentwicklung seiner Rechtsprechung zur Anzahlungsbesteuerung), dass die Anzahlungsbesteuerung auch dann greift, wenn die Anzahlung ausschließlich in einer Sachleistung besteht und daneben keine Barzahlungen für den später zu erbringenden Umsatz geleistet werden. Der EuGH begründet dies nachvollziehbar mit dem...

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