Rz. 24

Die Kenntnis und Beurteilung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit sind Voraussetzung für die zutreffende Feststellung zahlreicher sich daraus ergebender Rechtsfolgen, die nachfolgend exemplarisch skizziert werden sollen.

5.1 Bankrotthandlungen

 

Rz. 25

Das Insolvenzstrafrecht umschreibt in den §§ 283 ff. StGB einzelne Bankrotthandlungen. Dazu gehören nach § 283 Abs. 1 StGB beispielhaft:

  • Beiseiteschaffen, Verheimlichen und Beschädigen von Vermögensbestandteilen
  • Eingehen von Risikogeschäften und Verbrauch übermäßiger Beträge
  • Schleuderverkauf kreditierter Waren und Wertpapiere
  • Vortäuschung fremder Rechte
  • Unterlassene und mangelhafte Buchführung
  • Beiseiteschaffen und Vernichten von Handelsbüchern
  • Bilanzdelikte (z. B. Unterlassen der rechtzeitigen Bilanz- oder Inventaraufstellung)
  • etc.

Die Vermögensinteressen der Gläubigergesamtheit sowie der Schutz der Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft sind die geschützten Rechtsgüter der Bankrottdelikte.[1] Die vorstehend exemplarisch genannten Bankrotthandlungen sind aber nur dann strafbar, wenn die sog. objektiven Strafbarkeitsbedingungen nach § 283 Abs. 6 StGB erfüllt sind, d. h. die Gesellschaft ihre Zahlungen eingestellt hat, über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde. Durch die Neufassung der Insolvenzauslösetatbestände infolge der Insolvenzrechtsreform 1999 können die objektiven Strafbarkeitsbedingungen früher als zuvor eintreten (= Vorverlagerung der Strafbarkeit).

Im Anwendungsbereich des § 283 Abs. 1 StGB müssen die Bankrotthandlungen während der Krise des Unternehmens (bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit) begangen worden sein. Bei Anwendung des § 283 Abs. 2 StGB muss hingegen "lediglich" ein kausales Verhältnis bestehen, d. h. durch eine der in Abs. 1 aufgeführten Bankrotthandlungen ist die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt worden. Die in § 283b StGB aufgeführte Verletzung der Buchführungspflicht ist hingegen nicht an Handlungen während der Krise bzw. unter Herbeiführung einer Krise gekoppelt. Gleichwohl gelten auch hier die objektiven Strafbarkeitsbedingungen des § 283 Abs. 6 StGB. Damit ist zur Beurteilung der vorstehend skizzierten Straftatbestände durch die geschäftsführenden Organe des Unternehmens bei sämtlichen Konstellationen die Beurteilung einer ggf. drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit unerlässlich.

[1] Vgl. BGH, Urteil v. 29.4.2010, 3 StR 314/09; Richter, in Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht, 2015, § 81.

5.2 Untreue als existenzvernichtender Eingriff

 

Rz. 26

Der Untreuetatbestand des § 266 StGB ist durch 2 Untreuevarianten gekennzeichnet. Es ist demnach zwischen der Missbrauchsuntreue und der Treubruchsuntreue zu unterscheiden. Bei der Missbrauchsuntreue handelt der Täter aufgrund einer nach außen wirksamen Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis und verletzt dabei eine im Innenverhältnis bestehende Vermögensbetreuungspflicht. Demgegenüber verletzt der Täter bei der Treubruchsuntreue allein die im Innenverhältnis bestehende Vermögensbetreuungspflicht. In jedem Fall liegt bei beiden Varianten eine Pflichtverletzung vor. Aus den vorstehenden Ausführungen wird ersichtlich, dass die Vermögensbetreuungspflicht und damit auch die Vermögensbetreuungspflichtverletzung für beide Untreueformen inhaltsgleich zu bestimmen sind.[1] Neben der Pflichtwidrigkeit gelten für Untreuhandlungen als weitere Tatbestandsvoraussetzungen ein eingetretener Vermögensschaden und ein vorsätzliches Handeln.

Aus der Perspektive des Geschäftsführers handelt es sich beim GmbH-Vermögen unzweifelhaft um fremdes Vermögen, vgl. auch § 43 GmbHG. In diesem Zusammenhang bleibt darauf hinzuweisen, dass neben der Geschäftsführung auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats eine Vermögensbetreuungspflicht existiert. Entsprechende Kontrollpflichten des Aufsichtsrats sind insbesondere durch das KonTraG weitergehend verschärft worden. Eine vergleichbare Betreuungspflicht im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen gibt es für Gesellschafter nicht.[2]

Wenn einzelne Geschäftshandlungen der Geschäftsführung durch einschlägige Gesellschafterbeschlüsse gedeckt sind, so ist dieses Deckungsverhältnis für jegliche Untreuehandlungen stets tatbestandsausschließend, wenn sich die Gesellschaft außerhalb einer Krisenlage bewegt.

Ist für die Gesellschaft allerdings das Vorliegen einer Krisensituation zu diagnostizieren, z. B. durch Verfügungen der Geschäftsführung, die das Stammkapital angreifen und damit die Existenz der Gesellschaft bedrohen, führt dies zu einer anderen Beurteilung. Auch wenn bei einer derartigen Konstellation ein einschlägiger Gesellschafterbeschluss vorliegt, ist grundsätzlich eine Untreuehandlung zulasten der Gesellschaft möglich und damit strafbewehrt.[3]

 

Rz. 27

Nach bis zur Reform des GmbH-Rechts durch das MoMiG ständiger Rechtsprechung des BGH[4] beging der Geschäftsführer einer GmbH eine Untreue zulasten der GmbH, wenn er das zur Erhaltung des Stammkapitals, das der Verfügungsmacht der ...

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