Zusammenfassung

  • Vor allem in einer eher unsicheren Phase der Konjunkturentwicklung ist ein aktives Working Capital Management notwendig, damit der Finanzierungs- und Kapitalbedarf möglichst gering gehalten werden kann.
  • Working Capital Management ist eine übergreifende Aufgabenstellung, die nur durch eine Auflösung der funktionalen Sicht gelingen kann. Deshalb sind funktionsübergreifende Lösungsansätze über End-to-End-Prozesse erforderlich.
  • Durch die Stellhebel-basierte Optimierung des Working Capital entlang der End-to-End-Prozesse können direkt umsetzbare Potenziale identifiziert werden, die zur Freisetzung von gebundenem Kapital führen.
  • Die Optimierung des Working Capital adressiert nicht nur die Finanzseite, sondern muss auch mit den Leistungsprozessen eng verzahnt werden. Erst dadurch können tatsächlich nachhaltige Verbesserungen erreicht werden.
  • In dem folgenden Beitrag soll aufgezeigt werden, welche Stellhebel und Potenziale entlang der Wertschöpfungskette bestehen, wie diese adressiert und umgesetzt werden können und wie eine nachhaltige Implementierung erfolgen kann.

1 Bedeutung und Ziele des Working Capital Managements

Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten kommt dem Working Capital Management eine hohe Bedeutung zu. Zwar ist einerseits das aktuelle Zinsniveau zur Unternehmensfinanzierung auf einem historischen Tiefstand, doch andererseits wird dafür das Rating von Unternehmen und deren Finanzierungsstruktur umso kritischer unter die Lupe genommen. Vor allem in Zeiten einer erwarteten konjunkturellen Abschwächung kommt es dadurch umso mehr auf eine solide und langfristige Finanzierung an, damit etwaige Insolvenzrisiken vermieden werden können.

Das Working Capital wird auch Net Working Capital oder auch Netto Umlaufvermögen genannt und setzt sich grob aus

  • den Forderungen aus Lieferung und Leistung (LuL) und den geleisteten Anzahlungen
  • abzüglich der Verbindlichkeiten aus LuL sowie den erhaltenen Anzahlungen
  • plus der Bestandshöhe der Vorräte

zusammen. Abb. 1 zeigt dies exemplarisch im Zusammenhang der Return on Capital Employed (ROCE) Kennzahl.

Abb. 1: Zusammensetzung des Working Capital

Die im Working Capital gebundenen Mittel können schnell zu geringerer Rentabilität und Liquiditätsproblemen führen. Vor allem bei stark wachsenden Unternehmen mit hohem Kapital- und Investitionsbedarf muss intensiv auf die Höhe des Working Capital geachtet werden. Auch lange Forderungslaufzeiten sorgen dafür, dass z. B. Rohstoffe vorfinanziert werden müssen.

 
Praxis-Beispiel

Mittelständischer Lebensmittelhersteller beliefert großen Handelskonzern

Ein mittelständischer Lebensmittelhersteller beliefert einen großen Handelskonzern. Durch seine dominierende Marktstellung kann der Abnehmer ein Zahlungsziel von 90 Tagen nach Lieferung durchsetzen. Dadurch ist der Zulieferer gezwungen, auch seine Verbindlichkeiten hinauszuschieben, was z. B. einen Verzicht auf evtl. Skontogewährung mit sich bringt. Außerdem muss er seine Kosten für die Forderungslaufzeit finanzieren, was hohe Liquidität erfordert. Wenn diese nicht vorhanden ist, müssen teure kurzfristige Finanzierungsmittel genutzt werden, welche sich direkt negativ auf das Ergebnis auswirken.

Grundsätzlich zielt das Working Capital Management darauf ab, die Durchlaufzeit des im Umlaufvermögen gebundenen Kapital zu minimieren und dadurch liquide Mittel freizusetzen. Als Resultat soll die Zeitspanne zwischen Zahlungsausgang für Material und Zulieferungen gegenüber dem Zahlungseingang aus verkauften Fertigerzeugnissen so kurz wie möglich gehalten werden. Zusätzlich sind die Lagerbestände so zu gestalten, dass eine den Anforderungen entsprechend gestaltete Verfügbarkeit (je nach Branche und Wettbewerb) bei gleichzeitiger Minimierung des Kapitalbedarfs erreicht werden kann. Im Grunde genommen verfolgen alle Handlungsfelder ein Hauptziel: Die Freisetzung von liquiden Mitteln und somit die systematische Reduzierung des Kapital- und Finanzierungsbedarfs.

2 Einflussfaktoren für das Working Capital Management

Die wesentlichen Einflussfaktoren auf das Working Capital beruhen auf dem Geschäftsmodell, der Wettbewerbssituation und den spezifischen Branchenanforderungen. Konkret bedeutet dies, dass sich z. B. durch die Abnehmersituation (geringer oder hoher Wettbewerb), das Portfolio (wenige standardisierte oder viele individuelle Produkte) und der Wertschöpfungstiefe (geringe oder hohe Fertigungskomplexität) wesentliche Unterschiede hinsichtlich einer angemessenen Höhe des Working Capital ergeben.

 
Praxis-Beispiel

Dienstleister – Anlagenbauer mit Projektgeschäft – Serienfertiger

Bspw. hat ein Dienstleistungsunternehmen gegenüber einem Produktionsunternehmen vergleichsweise geringe Bestände (i. d. R. Verbrauchsmaterial) und legt damit den Fokus eher auf die Forderungen. Aber auch für produzierende Unternehmen zeigen sich wesentliche Unterschiede. So hat das Thema Bestände für einen Anlagenbauer mit Fokus auf Projektgeschäft, der kundenspezifische Produkte meist langfristig und mit hohem Materialeinsatz fertigt, einen höheren Stellenwert, als für den Serienfertiger mit einem Fokus auf klassisches Produktgeschäft. Letzt...

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