Leitsatz

1. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Rechtssubjekt i.S. des § 10 Abs. 6 Satz 1 WoEigG kann eine gewerbliche Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG begründen, für die ein Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO durchzuführen ist.

2. Es bedarf nicht der Annahme einer konkludent errichteten GbR, wenn die gewerbliche Tätigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft innerhalb des in § 10 Abs. 6 Satz 1 WoEigG vorgegebenen Verbandszwecks liegt (hier bei dem Betrieb eines Blockheizkraftwerks).

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2, § 4 Abs. 4, § 9b Abs. 1 EStG, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO, § 10 Abs. 6, § 15, § 16 Abs. 1, § 27 WoEigG, § 60 Abs. 3, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, § 15 Abs. 4 UStG

 

Sachverhalt

Zu einer Wohnungseigentumsanlage von Reihenhäusern gehörte auch ein Blockheizkraftwerk (BHKW), mit dem in erster Linie der eigene Wärmebedarf gedeckt werden sollte. Der zugleich ­erzeugte und nicht von den Eigentümern verbrauchte Strom wurde gegen eine Vergütung in das Netz eines Energieversorgers eingespeist. Der Verwalter hatte die Verträge für die WEG geschlossen und ging ebenso wie das FA davon aus, dass die WEG als Mitunternehmerschaft gewerbliche Einkünfte erziele. Dabei wurde zunächst ein Teil von 30 % des BHKW als Betriebsvermögen behandelt.

Gegen den auf dieser Grundlage erklärungsgemäß erlassenen und an die WEG gerichteten Gewinnfeststellungsbescheid legten die klagenden Wohnungseigentümer Einspruch ein, der nach Erlass eines geänderten Feststellungsbescheids zurückgewiesen wurde. Mit der Klage machten die Kläger u.a. geltend, eine WEG könne nicht Betreiber eines BHKW sein. Dazu bedürfe es einer von den Wohnungseigentümern zumindest konkludent errichteten GbR, an der es im Streitfall aber fehle. Außerdem habe das BHKW zu 100 % als Betriebsvermögen behandelt werden müssen. Der Gewinn müsse durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt werden.

Das FG hielt die Kläger zunächst nicht für klagebefugt und wies die Klage als unzulässig ab. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das FG. Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage dann als unbegründet ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.1.2015, 4 K 1102/14, Haufe-Index 9486859, EFG 2016, 787).

 

Entscheidung

Der BFH hob auch dieses Urteil des FG auf und verwies das Verfahren erneut an das FG zurück. Das FG habe zwar zu Recht entschieden, dass die WEG selbst als Mitunternehmerschaft das BHKW betrieben habe. Zur Ermittlung der Herstellungskosten des BHKW müsse aber noch geklärt werden, in welcher Höhe die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abzugsfähig gewesen sei.

 

Hinweis

1. Das Urteil hat Bedeutung für Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG), die im Zusammenhang mit Gemeinschaftseigentum auch gewerbliche Tätigkeiten entfalten, insbesondere durch Lieferung von Energie aus zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Anlagen. Der BFH entscheidet sich dafür, die WEG in einem solchen Fall selbst als Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu behandeln, wenn für die gewerbliche Tätigkeit nicht ausdrücklich ein eigenständiger Rechtsträger, etwa eine GbR, geschaffen wird. Grundlage dafür ist die zivilrechtliche Verselbst­ständigung der WEG, die ihren Niederschlag insbesondere in § 10 Abs. 6 Satz 1 WoEigG gefunden hat, wonach die WEG im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann.

Die WEG ist weder Personengesellschaft noch juristische Person, aber eine Gemeinschaft, die im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums unternehmerisch tätig sein kann und deren Mitglieder dann als Mitunternehmer anzusehen sind.

2. Folge aus der Behandlung als Mitunternehmerschaft ist, dass die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte für die WEGgesondert und einheitlich festzustellen sind und den Wohnungseigentümern auf dieser Grundlage zugerechnet werden. Von der gesonderten Feststellung wird i.d.R. – und damit anders als bei Zinseinnahmen aus der Instandhaltungsrücklage – nicht aus Geringfügigkeitsgründen nach § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO abgesehen werden können.

3. Weil die Frage im Urteilsfall aufgeworfen wurde, hat der BFH klargestellt, dass der Verwalter der WEG die steuerlichen Pflichten der Mitunternehmerschaft wahrzunehmen hat. Wenn er sich hierzu nicht eines Berufsträgers der steuer- und rechtsberatenden Berufe bedient, sondern selbst tätig wird, erbringt er damit keine unerlaubte Hilfe in Steuersachen, sondern erfüllt lediglich seine eigene Pflicht als Organ der WEG.

4. Die Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten der Energieerzeugungsanlage erfordert wegen § 9b Abs. 1 EStG auch ertragsteuerlich die Klärung der Frage, inwieweit in Rechnung gestellte Vorsteuer nach § 15 UStG abgezogen werden kann.

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