Kommentar

Die OFD Nordrhein-Westfalen legt mit aktueller Verfügung dar, ob und wann Beeinträchtigungen durch Windkraftanlagen den Einheitswert eines Grundstücks mindern können. Die Weisung zeigt, dass die Hürden für einen Wertabschlag sehr hoch liegen und Grundstückseigentümer meist einen Gutachter einschalten müssen.

Wie hoch die Grundsteuer für bebaute und unbebaute Grundstücke ausfällt, hängt maßgeblich vom Einheitswert der Immobilie ab. Dieser Wert ist auch für die Gewerbesteuer relevant, denn für Betriebsgrundstücke wird der Gewerbeertrag um 1,2 % des Einheitswertes gekürzt (§ 9 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 GewStG).

Anträge auf Wertminderung

Die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen (OFD) weist ihre Finanzämter mit Verfügung vom 20.4.2015 darauf hin, dass Grundstückseigentümer in letzter Zeit vermehrt Wertabschläge aufgrund der Beeinträchtigung durch benachbarte Windkraftanlagen geltend machen (nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG oder § 88 Abs. 1 BewG). Dabei tragen sie in der Regel vor, dass das Grundstück durch Lärm bzw. (periodischen) Schattenwurf der Anlagen unmittelbar beeinträchtigt wird. Die OFD gibt ihren Finanzämtern für die Bearbeitung dieser Anträge folgende Bearbeitungsregeln an die Hand:

Für bebaute Grundstücke kommt eine Wertminderung im Ertragswertverfahren nur in Betracht, soweit die Beeinträchtigungen durch die Windkraftanlage bei der Ermittlung der Jahresrohmiete zum 1.1.1964 unberücksichtigt geblieben sind und eine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung des Grundstücks (i. S. d. § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG) vorliegt. Ob letzteres der Fall ist, muss nach objektiven Gesichtspunkten entschieden werden und nicht nach den persönlichen Empfindungen des betroffenen Eigentümers.

Der BFH hat zwar entschieden, dass Immissionen von Windkraftanlagen grundsätzlich eine Ermäßigung des Einheitswerts rechtfertigen können.[1] Allerdings dürfen keine pauschalen Abschläge (z. B. gestaffelt nach Entfernung zur Windkraftanlage) vorgenommen werden. Die Finanzämter müssen immer die Einzelfallumstände betrachten.

Baurecht gewährleistet Immissionsschutz

Die Hürden für die Durchsetzung einer Wertminderung liegen nach der Verfügung hoch, denn nach Auffassung der OFD können die Finanzämter grundsätzlich davon ausgehen, dass die immissionsrechtlichen Vorschriften bei der baurechtlichen Genehmigung der Windkraftanlage beachtet wurden und somit sichergestellt ist, dass es zu keiner ungewöhnlich starken Beeinträchtigung der benachbarten Grundstücke kommt.

Hinweis: Für Einzelheiten zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren weist die OFD die Ämter auf den sog. Windenergie-Erlass vom 11.7.2011 hin. Danach muss im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens sichergestellt werden, dass die Errichtung bzw. der Betrieb der Windkraftanlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen (i. S. d. § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz) verursacht, was sich häufig durch Einhaltung erforderlicher Abstände und Auflagen (z. B. zur Drehzahl-/Leistungsbegrenzung oder zeitweiser Abschaltung) sicherstellen lässt.

Grundstückseigentümer trägt die Beweislast

Will der Grundstückseigentümer gleichwohl eine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung (i. S. d. § 82 Abs. 1 Nr. 1 BewG) geltend machen, so trägt er dafür die objektive Beweislast. Er muss nach der Weisung durch ein Gutachten nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine Wertminderung gegeben sind (z. B. Überschreitung der Lärmgrenzwerte). Wie hoch der Abschlag ausfällt, müssen die Finanzämter dann auf Basis des Gutachtens einzelfallabhängig entscheiden.

Beeinträchtigung durch Lärm

Ein Abschlag wegen Lärmbeeinträchtigung kommt nach der Verfügung regelmäßig nur in Betracht, wenn die folgenden Grenzwerte um mehr als 10 dB (A) überschritten wurden:

Grenzwerte am Tag bei Nacht (22 bis 6 Uhr)
Gebiete, die vorwiegend Wohnzwecken dienen 55 dB (A) 40 dB (A)
Reine Wohngebiete 50 dB (A) 35 dB (A)
Außenbereiche 60 dB (A) 45 dB (A)

Beeinträchtigung durch Schattenwurf

Nach der Weisung der OFD sollen die Finanzämter davon ausgehen, dass Schattenwürfe aufgrund der hohen Anforderungen im Genehmigungsverfahren der Anlagen regelmäßig keine ungewöhnlich starke Beeinträchtigung auf dem Grundstück verursachen. Nach dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 1.8.2005 (Az. 1 K 420/01) reicht ein Schattenwurf von jeweils 2 Stunden täglich über 2 Wochen im Jahr nicht aus, um einen Abschlag nach § 82 BewG zu rechtfertigen.

Anwendung im Sachwertverfahren

Die OFD weist abschließend darauf hin, dass die vorgenannten Grundsätze auch bei Grundstücken angewandt werden dürfen, die im Sachwertverfahren zu bewerten sind (z. B. unbebaute Grundstücke, Luxusbauten). Wertminderungen lassen sich dann ggf. im Rahmen des § 88 Abs. 1 BewG berücksichtigen.

Fazit: Wer die Einschaltung eines Gutachters nicht scheut, kann also durchaus eine Wertminderung für sein Grundstück erreichen. Dabei sollte er aber beachten, dass die Hürden für den Erfolg recht hoch liegen.

 

Link zur Verwaltungsanweisung

OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung v. 20.4.2015, Kurzinf...

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