Leitsatz

1. Begleitet ein Pfarrer Angehörige einer Pfarrei auf ihrer Pilgerwallfahrt nach Rom und übernimmt er dabei deren seelsorgerische Betreuung, sind die entsprechenden Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar.

2. Nimmt ein Pfarrer an einer sog. Tertiatskursfahrt von Geistlichen nach Jordanien teil, kann der Umstand, dass er zur Teilnahme dienstlich verpflichtet ist, die berufliche Veranlassung maßgeblich indizieren.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der als katholischer Priester und Pfarrer nichtselbstständig tätige K nahm an einer Pilgerwallfahrt nach Rom sowie an einer Tertiatskursfahrt von Seelsorgern einer Diözese nach Jordanien teil. Die achttägige Fahrt nach Rom führte am ersten Tag bis zum Gardasee, anschließend bis Rom, dort Papstaudienz, die drei Hauptkirchen. Danach die Katakomben, Pantheon, Spanische Treppe, Trevi-Brunnen. Nächster Tag Antikes Rom mit Coloseum, Piazza Venecia, Capitolhügel. 6. Tag: Vatikan (Museen, Petersdom und Sixtinische Kapelle). 7. Tag: Gottesdienst in Rom – Übernachtung am Stadtrand von Florenz. 8. Tag: Heimreise.

Die elftägige Tertiatskursfahrt war nach den Regelungen der Diözese eine verpflichtende Fortbildung für Priester und verlief im Wesentlichen wie folgt: Flug Frankfurt – Amman; nächster Tag Fahrt zum Wadi Rum mit Wanderung, Meditation und Übernachtung in der Wüste; dann Bibelarbeit/Wanderung, dann Fahrt nach Petra mit Besichtigungen, Wanderungen. Nach 4 Tagen weiter nach Kerak durch das Wadi el Mujib. Fahrt nach Muquawer (Herodesfestung), Um er-Rasas, Madaba (St.-Georgs-Apostel-Marien­kirche), Berg Nebo, Besuch der Taufstelle. Besich­tigungen (Amman, Tell Hedjadi, Wanderung nach Tullel, Überquerung der Jabbokfurt, Deir´ Alla, Dscherasch, Umm Qeis). Rückflug nach Frankfurt.

K machte die in Rom entstandenen Übernachtungskosten (pauschal 7 x 82 EUR) sowie die Kosten der Tertiatskursfahrt (1 398 EUR) geltend. Das FA ließ die Aufwendungen unberücksichtigt. Das FG ebenso (FG Nürnberg, Urteil vom 12.06.2008, 7 K 1813/2007, Haufe-Index 2228476).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung des FG aus den unter Praxis-Hinweisen dargelegten Erwägungen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

 

Hinweis

Während das FG die Klage noch auf Grundlage der alten Rechtslage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen hatte, dass bei den Reisen eine private Mitveranlassung von nicht ganz untergeordneter Bedeutung vorliege, geht das Besprechungsurteil von der neuen, mit dem Beschluss des Großen Senats zur Aufgabe des Aufteilungs- und Abzugsverbots geklärten Rechtslage aus.

1. Aufwendungen für ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnende Reisen, nämlich Reisen, denen ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt und die Verfolgung privater Interessen nicht den Schwerpunkt bildet, oder wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt, sind im vollen Umfang Werbungskosten. Gemischt veranlasste Bildungsreisen begründen im beruflich veranlassten Umfang an­teilig abziehbar Werbungskosten (BFH, Beschluss vom 21.09.2009, GrS 1/06, BFH/NV 2010, 285, BFH/PR 2010, 85; BFH, Urteil vom 21.04.2010, VI R 5/07, BFH/NV 2010, 1349, BFH/PR 2010, 286).

2. Auf dieser Grundlage hob der BFH das FG mit folgenden Maßgaben für den nächsten Rechtsgang auf: Hinsichtlich der Romreise besteht Aufklärungsbedarf; es kommt auf Ks Einwand an, dass es zu dessen dienstlichen Aufgaben gehöre, Pilgerwallfahrten von Pfarrangehörigen seelsorgerisch zu begleiten. Dann wäre ein unmittelbarer beruflicher Anlass der Reise nicht von der Hand zu weisen, wie etwa bei einem Lehrer, der mit seiner Klasse eine Klassenfahrt unternimmt. Hinsichtlich der Jordanienreise verwies der BFH auf die (alten) Abgrenzungsmerkmale für Auslandsgruppenreisen (BFH, Beschluss vom 27.11.1978, GrS 8/77, Haufe-Index 72892, BStBl II 1979, 213), nämlich fachliche Organisation, Programm auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten, homogener Teilnehmerkreis, verpflichtende Teilnahme. Und falls das FG zu der tatsächlichen Würdigung ge­langen sollte, dass auch nennenswerte private Gründe K zur Teilnahme an der jeweiligen Reise bewogen haben, ist dann eben auf Grundlage des Beschlusses vom 21.09.2009 (GrS 1/06, BFH/NV 2010, 285, BFH/PR 2010, 85) anhand objektiver Kriterien nach beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträgen abzugrenzen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 09.12.2010 – VI R 42/09

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