Leitsatz

1. Zur Klärung der beruflichen Veranlassung bei Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise sind auch nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009, GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) die früher entwickelten Abgrenzungsmerkmale (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27.11.1978, GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) weiter anzuwenden. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige mit der Teilnahme an der Reise eine allgemeine Verpflichtung zur beruflichen Fortbildung erfüllt oder die Reise von einem Fachverband angeboten wird.

2. Die Feststellung und Würdigung der beruflichen bzw. privaten Veranlassungsbeiträge obliegt den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

K, 2004 nicht selbstständig als Lehrerin u.a. für Geografie und Kunst beschäftigt sowie selbstständig als Kursleiterin für Keramikarbeiten und als Nachhilfelehrerin tätig, unternahm vom 28.6. bis 29.7 eine Reise nach China, vom 16.10. bis 21.10. eine nach Paris und besuchte zudem ein zweitägiges Seminar. Die gesamten Kosten dafür (ca. 7.100 EUR) machte sie als Werbungskosten bei ihren Lohneinkünften geltend. Die Reise nach China wurde vom Landesinstitut für Schule und Ausbildung (L.I.S.A.) zusammen mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung angeboten und organisiert. Sie verlief über Peking, Xian, Wuhan, Schanghai, Kumming und die Insel Hainan bis nach Hongkong mit zahlreichen Besichtigungen u.a. Platz des Himmlischen Friedens, "Verbotene Stadt", Terrakotta-Armee, Große Mauer, Gräber der Ming-Dynastie, Klöster, Tempel und Höhlen, Landschaften und Naturreservate einschließlich einer Aufzuchtstation für Panda-Bären. Zudem fanden eine dreitägige Flusskreuzfahrt auf dem Yangzi und eine Besichtigung des Drei-Schluchten-Staudamms statt. Die Reise umfasste auch Stadtbesichtigungen von Peking und Schanghai. Die Reise nach Paris umfasste Besichtigungen von Museen, der Tuilerien, des Eiffelturms, des Triumphbogens, Notre-Dame und Sacre-Coeur und war von L.I.S.A. angeboten. Das zweitägige Seminar –"Dialog der Kulturen II – Marokko: Frauenleben und -arbeit im Rifgebirge" – war vom Institut für internationale Zusammenarbeit im deutschen Volkshochschulverband angeboten. Das FA berücksichtigte die Werbungskosten nicht, das FG lediglich die für das Seminar "Dialog der Kulturen" (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 6.5.2010, 2 K 215/07, Haufe-Index 2678251).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Würdigung des FG, dass Ks Reisen nach China und Paris nicht beruflich veranlasst waren.

 

Hinweis

Seit der Entscheidung des Großen Senats zum Aufteilungs- und Abzugsverbot (BFH, Beschluss vom 21.9.2009, GrS 1/06, BFH/NV 2010, 285, BFH/PR 2010, 85) gilt, dass Kosten für teils beruflich, teils privat veranlasste Reisen grundsätzlich aufzuteilen sind. Die praktischen Konsequenzen zeigte etwa der Fall der Irlandreise einer Lehrerin (BFH, Urteil vom 21.4.2010, VI R 5/07, BFH/NV 2010, 1349, BFH/PR 2010, 286). Der Fall hier (Chinareise einer Lehrerin) veranschaulicht, dass es künftig weniger um Rechtsfragen, sondern mehr um die Beurteilung tatsächlicher Umstände geht und die Fälle damit (vgl. Leitsatz 2) in der Tatsacheninstanz entschieden werden.

1. Auch Bildungsaufwendungen einschließlich Fortbildungsreisen führen, sofern beruflich veranlasst, zu Werbungskosten. Liegen, wie hier, "Auslandsgruppenreisen" vor, gilt für die berufliche Veranlassung noch immer der Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27.11.1978, GrS 8/77 (Haufe-Index 72892, BStBl II 1979, 213): entscheidend sind fachliche Organisation, ein auf berufliche Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnittenes Programm, ein homogener Teilnehmerkreis sowie Freiwilligkeit oder Dienstpflicht (instruktiv dazu die Pilgerfahrt eines Pfarrers: BFH, Urteil vom 9.12.2010, VI R 42/09, BFH/NV 2011, 893, BFH/PR 2011, 254). Zweifel hinsichtlich der beruflichen Veranlassung gehen zulasten des Steuerpflichtigen.

2. Nachdem das FG eben diese neuen Rechtsgrundsätze angewandt hatte, prüfte der BFH nur noch die Würdigung des FG, dass die Reisen nach China und Paris nicht insgesamt beruflich veranlasst waren und auch eine Aufteilung in beruflich und privat veranlasste Anteile ausschied. Ein unmittelbarer beruflicher Veranlassungszusammenhang schied aus. K hatte keine konkrete dienstliche Verpflichtung an der Reise teilzunehmen; eine nur ganz allgemeine Verpflichtung zur Fortbildung genügt nicht. Und die Reise war auch nicht auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse Ks zugeschnitten. Es half auch nicht, dass die Reise aus einem Fortbildungsprogramm ausgewählt und dafür eine Dienstreisegenehmigung erteilt wurde. Unerheblich war auch, dass die Reise ein Fachverband angeboten und veranstaltet hatte. Denn es kommt darauf an, ob das Angebot den für die steuerliche Anerkennung von Fortbildungsreisen als Werbungskosten geltenden Anforderungen entspricht. Auch eine Aufteilung der Reisekosten schied aus. Denn al...

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