2.1 Sachverhalt

Rechtsanwalt R ist Eigentümer eines Grundstücks in Köln, auf dem er 2018 und 2019 ein Gebäude (im Folgenden Hauptgebäude) errichtet hatte. Die erstmalige unternehmerische Nutzung erfolgte zum 1.9.2019.

In der Bauphase zog R aus allen ihm gegenüber erbrachten Bauleistungen 70 % Vorsteuer ab, da er seinem Finanzamt nachweisen konnte, dass 70 % der Fläche auf durch Option steuerpflichtige Vermietung entfallen würde. Von den Baukosten i. H. v. netto 2 Mio. EUR und der darauf entfallenden Umsatzsteuer von 380.000 EUR zog R somit 266.000 EUR als Vorsteuer ab.

Tatsächlich konnte R ab 2023 nur einen Teil des Gebäudes (60 % der Nutzfläche = 600 m²) für steuerpflichtige Vermietung an andere Unternehmer, die in den Räumen vorsteuerabzugsberechtigende Tätigkeiten ausführen, verwenden. Den restlichen Teil des Gebäudes vermietet R an Wohnungsmieter.

Im Frühjahr 2023 hatte R mit einem Anbau an dem Gebäude begonnen. Mit dem Anbau beauftragte R den Bauunternehmer B, der den gesamten Anbau zu einem Festpreis von 600.000 EUR zuzüglich 114.000 EUR Umsatzsteuer errichtete. Von diesem Festpreis entrichtete R jeweils Anfang März und Anfang April 200.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Den Restbetrag von 200.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer zahlte R nach Fertigstellung des Anbaus Ende Mai 2023. Grund für den Anbau war die Überlegung des R, in diese Räume seine eigene Rechtsanwaltskanzlei zu verlegen. Mitte Mai 2023 erhielt R aber ein sehr gutes Angebot eines mit ihm befreundeten Versicherungsvermittlers V, der kurzfristig geeignete Büroräume suchte, sodass sich R entschloss, die Räume sofort nach Fertigstellung zum 1.6.2023 an V zu vermieten. Die Gebäudeteile haben eine vergleichbare Ausstattung.

Im Januar 2023 stürzte bei einem Sturm ein Baum auf das Dach des Hauptgebäudes. Die notwendige Dachsanierung führte Dachdecker D durch. Da sich an dem Dach erhebliche Schäden ergeben hatten, berechnete D insgesamt 20.000 EUR zuzüglich 3.800 EUR Umsatzsteuer. Die Versicherung erstattete R bei Abschluss der Arbeiten Anfang März 2023 insgesamt 18.000 EUR.

Wegen eines Kurzschlusses in der Klingelanlage musste für das Hauptgebäude Ende November 2023 eine neue Klingelanlage eingebaut werden, für die dem R 7.000 EUR zuzüglich 1.330 EUR Umsatzsteuer berechnet wurden.

Darüber hinaus musste R im Februar 2023 in dem Hauptgebäude in der an den Steuerberater S vermieteten Gewerbeeinheit Änderungen an der Stromversorgung vornehmen. Für die Elektroarbeiten wurden ihm 5.000 EUR zuzüglich 950 EUR Umsatzsteuer berechnet.

Zum 31.12.2023 hat Steuerberater S seinen Mietvertrag gekündigt und vereinbarungsgemäß die Räume zu diesem Stichtag geräumt. Obwohl sich R im Januar 2024 sehr um einen ebenfalls vorsteuerabzugsberechtigten Mieter bemühte, konnte er am 1.2.2024 mit Wirkung zum 1.4.2024 dennoch nur einen Mietvertrag mit einem Augenarzt abschließen. Der Augenarzt A zieht zum 1.4.2024 in die 200 m² große Gewerbeeinheit ein.

2.2 Fragestellungen

Rechtsanwalt R möchte wissen

  • wie die Vorgänge des Jahres 2023 umsatzsteuerrechtlich zu beurteilen sind,
  • ob er für 2023 eine Vorsteuerberichtigung vornehmen muss und
  • wie sich der Mieterwechsel in seinem Hauptgebäude in 2024 für die Vorsteuerberichtigung auswirkt.

2.3 Lösung

 
Wichtig

Verwendungsabsicht bei Leistungsbezug maßgeblich

Bevor eine Vorsteuerberichtigung geprüft werden kann, muss immer zuerst festgestellt werden, in welcher Höhe der Unternehmer bei dem jeweiligen Leistungsbezug zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Diese zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs geplante Ausgangsleistung ist für den gesamten Berichtigungszeitraum maßgeblich und muss mit der tatsächlichen Verwendung innerhalb des Berichtigungszeitraums verglichen werden.

Dabei ist jeweils zu berücksichtigen, dass für die Eingangsleistungen unterschiedliche Berichtigungszeiträume bestehen, die sich auch überlappen können.

2.3.1 Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen 2023

Rechtsanwalt R ist als Unternehmer grundsätzlich zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG berechtigt. Zum Rahmen seiner einheitlichen unternehmerischen Tätigkeit gehört auch die Vermietungstätigkeit. Ob der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1aAbs. 2 UStG eingeschränkt ist, richtet sich nach der Art seiner Ausgangsumsätze.

R vermietet die Räume, sodass hier sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 UStG vorliegen, der Ort der Leistung ist nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. a UStG dort, wo das Grundstück liegt ("Belegenheitsprinzip"). Da der Ort der Leistung in Köln ist, führt dies zu steuerbaren Umsätzen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Die Vermietung ist aber eine grundsätzlich steuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG. Allerdings konnte R bei der Vermietung an die anderen Unternehmer zulässigerweise nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 UStG auf die Steuerfreiheit der Umsätze verzichten (Option zur Umsatzsteuer). Voraussetzung ist, dass der Mieter die Räume als Unternehmer für sein Unternehmen nutzt[1] und dass der Mieter für diese Räume zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.[2]

 
Praxis-Tipp

Baujahr des Gebäudes entscheidet über Voraussetzungen für die Option

Bei Gebäuden, ...

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