Sachverhalt

In den verbundenen ungarischen Verfahren ging es um die Frage, ob der Vorsteuerabzug bei ansonsten gegebenen Voraussetzungen versagt werden kann, wenn der Unternehmer außer der Rechnung des Leistenden kein Dokument besitzt, aus dem sich ergibt, dass der leistende Unternehmer die Leistung erbringen konnte bzw. die Steuerverwaltung - auf der Grundlage einer verschuldensunabhängigen Haftung - das Recht auf Vorsteuerabzug, das der Steuerpflichtige ausüben will, beschränken oder entziehen kann, wenn der Aussteller der Rechnung nicht nachweisen kann, dass ein Einsatz von weiteren Subunternehmern rechtmäßig erfolgt war.

In der Sache C-80/11 hatte die Klägerin mit einem Unternehmen R einen Vertrag über die Lieferung unbehandelten Akazienstämme geschlossen. Im Vertrag wurde festgestellt, dass die beiden Parteien sich gegenseitig vergewissert hätten, dass es sich sowohl bei R als auch bei der Klägerin um bestehende und eingetragene Gesellschaften handelte, die über eine ordnungsgemäße und gültige Steueridentifikationsnummer verfügten. Während der Vertragsdauer stellte R mehrere Rechnungen für die Lieferung und Übergabe unterschiedlicher Mengen Akazienstämme auf den Namen der Klägerin aus. In sechs dieser Rechnungen erschien die Nummer des Lieferscheins, der jeweils als Anhang beigefügt war. Die Klägerin machte aus den Rechnungen den Vorsteuerabzug geltend. R führte die MwSt aus ihren Lieferungen ab.

Bei einer Steuerpüfung der R kam die Finanzbehörde zu dem Ergebnis, dass R keine Akazienstammbestände besessen habe und die im Streitjahr erworbenen Mengen dieser Ware sich - mit Ausnahme einer Rechnung - nicht mit den der Klägerin in Rechnung gestellten Lieferungen deckten. Obwohl beide Vertragsparteien im Verlauf der Feststellungen erklärt hatten, die Lieferscheine nicht aufbewahrt zu haben, händigte die Klägerin der Steuerbehörde zu einem späteren Zeitpunkt Kopien von 22 Lieferscheinen zum Nachweis der erhaltenen Lieferungen aus. R hatte nach den vorhandenen Unterlagen die Stämme selbst geliefert, obwohl das Unternehmen nicht über Transportfahrzeuge verfügte und sich in seinen Büchern keine Rechnung über die Anmietung eines Fahrzeugs oder die Bezahlung eines Spediteurs befand. Die Klägerin verkaufte einen Großteil der Akazienstämme als Brennstoff weiter und die Stämme besserer Qualität an Möbelhersteller. Die von R gelieferte Ware fand sich in den Beständen der Klägerin, die sie weiter verkaufte.

Die Steuerbehörde war der Ansicht, die Klägerin sei der von ihr zu erwartenden Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen, da sie von R weder ein schriftliches Dokument über die Bestellung noch eine andere Sicherheit verlangt habe, um den Vorsteuerabzug abzusichern. Dadurch, dass die Rechnungen sich in den Unterlagen beider Parteien befänden und gebucht worden seien, werde noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Lieferungen tatsächlich zwischen den in den Rechnungen angegebenen Vertragsparteien erfolgt seien. Die Finanzbehörde stellte zwar weder in Abrede stelle, dass die Klägerin tatsächlich die in den Rechnungen ausgewiesenen Mengen Holz erworben habe, noch, dass R aus ihren Lieferungen die MwSt abgeführt habe. Entscheidend sei aber, dass die Klägerin die streitigen Akazienstämme nicht von R gekauft haben könne, da R die Ware nicht besessen habe.

In der Sache C-142/11 war der Kläger von einem anderen Unternehmer G mit Dienstleistungen im Rahmen des Hochwasserschutzes beauftragt worden. Diese Arbeiten wurden zwischen dem 8. und dem 13.5.2006 ausgeführt. In dem Vertrag vereinbarten die Parteien, dass der Kläger die Arbeiten mit eigenen Mitteln ausführt, er selbst die erforderliche Zahl von Arbeitnehmern einstellt und er ihnen Schutzausrüstungen und Werkzeug zur Verfügung stellt. Der Kläger hatte sich jedoch entgegen der Auflage des Auftraggebers eines Subunternehmers bedient und von diesem Rechnungen erhalten. Da der Kläger keine Angaben über den Subunternehmer und dessen Arbeitnehmer bzw. zu der Frage, ob das vom Kläger beauftragte Unternehmen seinerseits einen Subunternehmer in Anspruch genommen hatte, machen konnte, hatte die Finanzbehörde die Rechnungen des Subunternehmers an den Kläger als Scheinrechungen eingestuft und dem Kläger den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen verweigert. Es sei weder möglich, wahrheitsgemäß festzustellen, welches der Unternehmen der Subunternehmerkette die Arbeiten ausgeführt habe, noch, welches von ihnen die in den Arbeitsberichten genannten Arbeitnehmer beschäftigt habe. Der Kläger trug vor, beim Erhalt der Rechnungen mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt zu haben, da er sich vergewissert habe, dass die in Auftrag gegebenen Arbeiten tatsächlich ausgeführt worden seien, und er überprüft habe, dass der Rechnungsaussteller als Steuerpflichtiger erfasst sei. Für eine mangelhafte Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Subunternehmers könne er (der Kläger) nicht verantwortlich gemacht werden.

Der EuGH musste entscheiden, ob unter den Bedingungen der Ausgangsfälle das Vorsteuerabzugsrecht...

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