Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des FG Münster ging es um die Rundungsregel bei der Ermittlung des Pro-Rata-Satzes des Vorsteuerabzugs gem. Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL. Nach der Vorschrift wird der Pro-Rata-Satz auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentpunkt aufgerundet. Das FG Münster wollte im Wesentlichen wissen, ob die Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL auch dann anzuwenden ist, wenn der Pro-Rata-Satz nach einer der besonderen Methoden des Art. 173 Abs. 2 Buchst. a, b, c oder d MwStSystRL berechnet wird. Der EuGH sollte auch die Frage beantworten, ob die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach den Art. 184 ff. MwStSystRL unter Anwendung der Rundungsregel dergestalt durchzuführen, dass der zu berichtigende Vorsteuerbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen auf einen vollen Prozentsatz auf- oder abgerundet wird.

Die Klägerin, eine Sparkasse, optierte bei ihren Umsätzen im gewerblichen Kundengeschäft (Darlehen, Kontoführung, Avale usw.) seit dem 1.1.2008 zur Steuerpflicht[1] und führte in den Streitjahren 2009 und 2010 in diesem Geschäftsbereich steuerpflichtige Umsätze und zusätzlich andere steuerpflichtige, aber auch steuerfreie Umsätze aus. Auf der Basis von Margen ermittelte die Klägerin die abzugsfähigen Vorsteuerbeträge für 2009 mit 13,55 % und für 2010 mit 13,18 %, die sie in den USt-Erklärungen für 2009 und 2010 jeweils auf 14 % aufrundete. Die durch den Verzicht auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze an gewerbliche Kunden nach § 15a UStG ausgeführten Korrekturen der in den Vorjahren zu den Umsätzen an gewerbliche Kunden erklärten Vorsteuerbeträge rundete die Klägerin zu ihren Gunsten ebenfalls auf 14 % auf.

Das FA war der Auffassung, nach dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 24.9.2009[2] bestehe kein Anspruch auf Aufrundung des für den Vorsteuerabzug errechneten Pro-Rata-Satzes auf einen vollen Prozentsatz. Auch für die Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG sei der von der Klägerin angewandte gerundete Schlüssel nicht zu berücksichtigen.

Das FG Berlin-Brandenburg hatte mit Urteil vom 24.9.2009[3] entschieden: Bei Aufteilung der Vorsteuern aus Eingangsumsätzen für banktypische Geschäfte nach § 15 Abs. 4 UStG unter Zugrundelegung von Margen gem. dem BMF-Schreiben vom 12.4.2005[4] (Neues Konzept für die Vorsteueraufteilung bei Kreditinstituten) und somit nach einer anderen Schätzungsmethode als nach dem Verhältnis der zum Vorsteuerabzug berechtigenden zu den Gesamtumsätzen, kann ein Kreditinstitut nicht beanspruchen, dass der errechnete Pro-Rata-Satz gem. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie auf einen vollen Prozentsatz aufzurunden sei, sofern dies gegenüber der Rundung auf 2 Dezimalstellen nach dem Komma zu erheblichen steuerlichen Auswirkungen führt.

§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG regelt für die Streitjahre 2009 und 2010, dass zur Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge i. d. R. eine Aufteilung nach dem Grundsatz der "wirtschaftlichen Zurechnung" erfolgt. Nur dann, wenn keine "wirtschaftliche Zurechnung" möglich ist, erlaubt § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ausnahmsweise die Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzsatzschlüssel. Das FG Münster ging davon aus, dass der von der Klägerin für die Vorsteueraufteilung verwendete, an den Margen orientierte Aufteilungsschlüssel eine den Umsatzschlüssel verdrängende Aufteilungsmethode der "wirtschaftlichen Zuordnung" i. S. d. § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG darstellt. Das UStG enthalte aber für die Bildung des Pro-Rata-Satzes keine ausdrückliche Rundungsvorschrift. Vielmehr sei der Pro-Rata-Satz, wie vom FG Berlin-Brandenburg entschieden, im Schätzwege unter Berücksichtigung von 2 Ziffern nach dem Komma zu ermitteln.

Das FG Münster meinte, auch bei Verwendung eines in unionsrechtskonformer Weise den Umsatzschlüssel verdrängenden Aufteilungsschlüssels der wirtschaftlichen Zurechnung, im Streitfall bei Anwendung des Margenschlüssels, erscheine es fraglich, ob nicht trotzdem möglicherweise die Rundungsvorschrift des Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL zugunsten des Steuerpflichtigen anzuwenden ist. Auch wollte das FG nicht ausschließen, dass die Anwendung der Rundungsregel des Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL jedenfalls für den Fall, dass die zu korrigierenden Vorsteuerbeträge nach Methoden ermittelt wurden, bei denen die Mitgliedstaaten die Rundungsregel des Art. 175 MwStSystRL anwenden müssen, auf die Vorsteuerkorrektur nach den Vorschriften der Art. 184 - 192 MwStSystRL stattzufinden hat. Die Regelung des Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL könne es nahelegen, dass nur dann eine Aufrundung auf einen vollen Prozentsatz zugunsten des Steuerpflichtigen durchzuführen ist, wenn die Vorsteuer zu seinen Gunsten zu korrigieren ist.

Der EuGH musste entscheiden, ob die Rundungsregelung nach Art. 175 Abs. 1 MwStSystRL für die in Art. 173 MwStSystRL geregelten verschiedenen Möglichkeiten des Vorsteuerabzugs generell greift, oder nur bezogen auf den Pro-Rata-Satz nach Art. 173 Abs. 1 MwStSystRL. Der Wortlaut von Art. 175 Abs. 1 MwSt...

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