Leitsatz

Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger, der als solcher ein Investitionsgut erworben und es dem Vermögen des Unternehmens zugeordnet hat, berechtigt ist, die auf den Erwerb dieses Gegenstands entrichtete Mehrwertsteuer in dem Steuerzeitraum abzuziehen, in dem der Steueranspruch entstanden ist, auch wenn dieser Gegenstand nicht sofort für unternehmerische Zwecke verwendet wird. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu ermitteln, ob der Steuerpflichtige das Investitionsgut für die Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erworben hat, und gegebenenfalls zu prüfen, ob eine betrügerische Praxis vorliegt.

 

Normenkette

Richtlinie 2006/112/EG – Art. 168 (§ 15 UStG)

 

Sachverhalt

Eine Gesellschaft, die Hotels am Meer betreibt, hatte in der weit entfernten Hauptstadt mit Vorsteuerabzug eine Wohnung erworben, aber weder Umsätze noch eine unternehmensfremde Verwendung versteuert, sondern dem bulgarischen FA erklärt, die Verwendung sei immer noch beabsichtigt.

 

Entscheidung

Die wesentlichen Kriterien ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Ob eine ernsthafte Absicht für eine (beabsichtigte) unternehmerische Verwendung besteht, ist Tatfrage, die das FG gegebenenfalls klären muss

 

Hinweis

1. Der Vorsteuerabzug setzt nach Art. 168 MwStSystRL (ebenso wie nach § 15 UStG) beim Erwerb eines Gegenstands die Absicht voraus, diesen als Unternehmer, d.h. für besteuerte Umsätze oder steuerfreie mit Vorsteuerabzugsrecht, zu verwenden.

2. Ob ein auch privat verwendbarer Gegenstand für Zwecke des Unternehmens (in der Terminologie des EuGH "als Unternehmer") erworben wird, ist Tatfrage, bei der alle für und gegen diese Absicht sprechenden Gründe zu würdigen sind. Dass der Gegenstand nicht sofort im Anschluss an den Erwerb für unternehmerische Zwecke genutzt wird, ist jedenfalls nicht allein entscheidend.

3.In Fällen von Betrug oder Missbrauch, in denen unternehmerische Zweckverfolgung oder die Absicht, eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, nur vorgespiegelt wird, kann die Steuerbehörde rückwirkend die Erstattung der abgezogenen Beträge verlangen.

4. Eine missbräuchliche Praxis liegt vor, wenn ein Umsatz trotz formaler Anwendung der Bedingungen der einschlägigen Regelungen einen Steuervorteil zum Ergebnis hat, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und sich aus objektiven Anhaltspunkten ergibt, dass mit dem fraglichen Umsatz im Wesentlichen ein Steuervorteil erlangt werden soll.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 22.03.2012, C-153/11

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