Sachverhalt

Das litauische Vorabentscheidungsersuchen betraf den Vorsteuerabzug[1] aus dem Erwerb bzw. der Herstellung von Investitionsgütern, die der Öffentlichkeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden (touristische Infrastruktur), aber später steuerpflichtige Ausgangsumsätze ermöglichen sollen.

Die Klägerin ist eine juristische Person, die Tätigkeiten in folgenden Bereichen ausübt: Angebot von Unterkünften, sowie von Verpflegung und Getränken, Organisation von Messen und Kongressveranstaltungen, Ingenieurtätigkeiten und damit verbundene Beratungen. Im Jahr 2012 schloss die Klägerin mit dem litauischen Landwirtschaftsministerium einen Vertrag, in dem sie sich verpflichtete, das Projekt "Freizeit- und Entdeckungsweg zur baltischen Mythologie" durchzuführen, wobei das Ministerium bis zu 90 % der Durchführungskisten erstatten sollte. Die Klägerin errichtete im Rahmen des Förderprojekts den Freizeit- und Entdeckungsweg und verpflichtete sich, der Öffentlichkeit die kostenlose Nutzung des Freizeit- und Entdeckungswegs zu ermöglichen. Sie verbuchte die bei der Errichtung und dem Erwerb der Investitionsgüter (Parkplätze und Kraftfahrzeuge, Wege, Beobachtungsplattformen, Stufen, Lagerfeuerplätze usw.) entstandenen Kosten und machte daraus den Vorsteuerabzug geltend. Die Steuerbehörde versagte der Klägerin den Vorsteuerabzug aus den bei der Durchführung des Projekts entstandenen Kosten für die Herstellung bzw. den Erwerb von Investitionsgütern mangels Nachweises einer Verwendung für Tätigkeiten, die der MwSt unterliegen.

Das vorlegende Gericht wollte wissen, ob ein Vorsteuerabzug aus den Investitionsgütern trotz der kostenlosen Bereitstellung für die Öffentlichkeit zu gewähren ist, da der Freizeit- und Entdeckungsweg Besucher anziehen soll, um diesen gegenüber steuerpflichtige Leistungen (Souvenirs, Verpflegung, Unterhaltungsangebote, Badeeinrichtungen und weitere kostenpflichtige Freizeiteinrichtungen) zu erbringen.

 

Entscheidung

Ausgehend von dem Sachvortrag des Vorlagegerichts, dass die mit den Investitionen verbundenen Kosten letztlich zur Ausübung der von der Klägerin beabsichtigten wirtschaftlichen Tätigkeiten bestimmt sind und der Freizeitweg als ein Mittel angesehen werden kann, Besucher anzuziehen, um ihnen durch den Verkauf von Souvenirs, Verpflegung und Getränken und die ihnen eröffnete Möglichkeit, entgeltliche Unterhaltungsangebote und Badeeinrichtungen in Anspruch zu nehmen, Gegenstände und Dienstleistungen durch die Klägerin anzubieten, hat der EuGH den Vorsteuerabzug im Prinzip bejaht. Der EuGH hebt auf seine frühere Rechtsprechung ab, dass der Vorsteuerabzug auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen zu gewähren ist, wenn die entstandenen Kosten zu den Gemeinkosten des Unternehmers gehören und als solche Kostenelemente der von ihm erbrachten Umsätze sind. Derartige Kosten hängen dann direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen. Von einem solchen Fall geht der EuGH im vorliegenden Verfahren aus. Die unmittelbare kostenfreie Verwendung des Freizeitwegs stellt nicht den direkten und unmittelbaren Zusammenhang infrage, der zwischen den Eingangsumsätzen und den das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnenden Ausgangsumsätzen oder mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Klägerin besteht. Diese Verwendung hat keine Auswirkungen auf das Bestehen des Vorsteuerabzugs. Hier spielt im Ausgangsverfahren auch eine Rolle, dass die Investitionsausgaben der Klägerin für die Anlegung des Freizeitwegs zumindest teilweise von den Einkünften aus den Lieferungen und Dienstleistungen im Zusammenhang mit der späteren Nutzung des Freizeitwegs gedeckt waren.

 

Hinweis

Zu der in Art. 168 MwStSystRL geregelten Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, dass die Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen "für Zwecke seiner besteuerten Umsätze" verwendet werden, kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH darauf an, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Eingangsumsatz und Ausgangsumsätzen bzw. der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen besteht. Für die Beurteilung maßgeblich ist der objektive Inhalt der vom Unternehmer bezogenen Leistungen. Der Entstehungsgrund eines Eingangsumsatzes kann als ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts zu berücksichtigen sein.[2]

Im vorliegenden Verfahren ging es in erster Linie um die Frage der - nicht in die Zuständigkeit des EuGH fallenden - Beweiswürdigung sein, ob

  • die kostenlose Zugangsgewährung zum dem Freizeit- und Entdeckungsweg eine eigenständige nichtwirtschaftliche Tätigkeit darstellt, für die ein Vorsteuerabzugsrecht nicht besteht (dies hat der EuGH verneint),

    oder

  • ob die streitgegenständlichen Investitionsgüter als Werbemaßnahme direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin in Zusammenhang stehen und damit zum Vorsteuerabzug berec...

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