Leitsatz

1. Bei Ausweis eines überhöhten Steuerbetrags steht dem Leistungsempfänger der darin enthaltene – gesetzlich geschuldete – Betrag als Vorsteuer zu.

2. Ein Vorsteuerabzug wegen Erhöhung der Bemessungsgrundlage erfordert die nachträgliche Vereinbarung eines Entgelts und die tatsächliche Zahlung des vereinbarten Entgelts.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1b, § 15 Abs. 1, § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG 1999

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Ehegatten-GbR mit Imbiss-Kiosk-Umsätzen, erhielt 1992 bis 1995 Waren von einem ihrer Gesellschafter, die aber in ihren Ausgangsleistungen keinen Niederschlag gefunden hatten. Das FA berücksichtigte diesen Vorgang ertrag- und umsatzsteuerrechtlich beim Einzelunternehmen als Entnahme von Umlaufvermögen (ermäßigter Steuersatz für Lebensmittel) und bei der Klägerin als Einlage. 2006 machte die Klägerin erfolglos Vorsteuer geltend aus einer Rechnung mit der "Leistungsbeschreibung""Nachberechnung lt. Lieferscheine 1992, 1993, 1994, 1995" und ausgewiesener Steuer i.H.v. 15 %.

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück (Vorinstanz: FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.10.2007, 2 K 543/06): Zunächst ist noch zu klären, ob die Klägerin die ihr vom Einzelunternehmen in Rechnung gestellten Waren im Zeitpunkt der jeweiligen Lieferung (1992 bis 1995) oder im Zusammenhang mit der Rechnungserstellung (01.08.2001) "gegen Entgelt" und damit im Rahmen eines Leistungsaustauschs bezogen hatte. Maßgebend ist zunächst allein der Zeitpunkt Lieferung oder der Erbringung der sonstigen Leistung.

Lagen im Streitfall den Rechnungen keine entgeltliche Lieferungen i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG zugrunde, berechtigen die Rechnungen nicht zum Vorsteuerabzug. Die im Rahmen der Betriebsprüfung erfolgte Behandlung des Vorgangs als Entnahme beim Einzelunternehmen und – dazu korrespondierend – als Einlage bei der Klägerin spricht zwar gegen die Annahme einer entgeltlichen Lieferung. Feststellungen des FG hierzu fehlten allerdings. Eine spätere Entgeltsvereinbarung könnte nur nach § 17 UStG zu berücksichtigen sein, wenn das vereinbarte Entgelt auch tatsächlich gezahlt wurde.

Unabhängig davon muss das FG aber auch prüfen, ob unter den Verhältnissen des Streitfalls die Leistungsbeschreibung in der Rechnung ausreicht. Denn das Abrechnungspapier muss Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die eindeutige und leicht nachprüfbare Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzungen erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. In der Abrechnung kann auf andere Geschäftsunterlagen verwiesen werden; diese müssen aber eindeutig bezeichnet sein.

 

Hinweis

1. Als Vorsteuer darf nur die für einen berechneten Umsatz vom Leistenden geschuldete Steuer abgezogen werden. Ist der Umsatz als Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) nicht steuerbar oder wird über einen steuerfreien Umsatz abgerechnet, ist keine Vorsteuer abziehbar. Wird dagegen eine Steuer für den Umsatz geschuldet, statt der geschuldeten aber eine höhere Steuer ausgewiesen, steht dem Leistungsempfänger der darin enthaltene gesetzlich geschuldete Betrag für den Vorsteuerabzug zu.

Hat danach der Unternehmer zu Unrecht mit dem vollen anstatt dem ermäßigten Steuersatz abgerechnet, steht ihm der Vorsteuerabzug in der zutreffenden Höhe zu. Die Höhe der abziehbaren Vorsteuer ergibt sich nicht durch Herausrechnen des ermäßigten Steuersatzes aus den jeweiligen Bruttobeträgen; Bemessungsgrundlage ist der in den Rechnungen ausgewiesene Nettobetrag. Der sich danach ergebende Steuerbetrag darf den in der Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrag nicht übersteigen.

2. Nach § 17 UStG sind, wenn sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert hat, in dem Besteuerungszeitraum, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist, die USt des Leistenden und der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger zu berichtigen. § 17 UStG betrifft auch unentgeltliche Wertabgaben, da diese nach § 3 Abs. 1b UStG den Lieferungen gleichgestellt sind. Voraussetzung ist eine eindeutige nachträgliche Vereinbarung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger über die Entgeltlichkeit des Umsatzes und die tatsächliche Zahlung des nunmehr vereinbarten Entgelts. Denn das UStG stellt – als Korrektiv zur Sollbesteuerung und zur Berechtigung zum Sofortabzug der Vorsteuer – darauf ab, was letztlich – also tatsächlich – als Gegenleistung aufgewendet worden ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.11.2009 – V R 41/08

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