Zusammenfassung

 
Überblick

Den Wertmaßstab für unfertige und fertige Erzeugnisse oder Leistungen im Zeitpunkt ihres Zugangs bilden die Herstellungskosten. Bei ihnen ist zwischen der Einbeziehungspflicht der Einzel- und bestimmter Gemeinkosten, dem Einbeziehungswahlrecht für bestimmte Gemeinkosten und den Einbeziehungsverboten (Forschungs- und Vertriebskosten) zu differenzieren. Die Berücksichtigung von Gemeinkosten ist an das Angemessenheitsprinzip gebunden. Zudem besteht ein Aktivierungswahlrecht nur (sonst Einbeziehungsverbot), sofern die aktivierungsfähigen Gemeinkosten im Zeitraum der Herstellung anfallen.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Die bilanzielle Wertermittlung für das Vorratsvermögen folgt handelsrechtlich dem in §§ 253256a HGB normierten Bewertungsprogramm. Steuerrechtlich sind vorrangig die Bewertungsvorschriften des § 6 EStG maßgeblich. Zur Lückenfüllung kommen über den Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) die handelsrechtlichen GoB zum Tragen. Kapitalgesellschaften und ihnen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften i. S. d. § 264 a HGB sind zu Anhangangaben gem. §§ 284, 285 HGB verpflichtet.

Für die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften kommt den Entscheidungen der Zivil- und Finanzgerichte besondere Bedeutung zu, allen voran jenen des BFH (vgl. z. B. BFH, Urteil v. 29.11.2000, I R 87/99, BFH/NV 2001 S. 687).

Wertvolle Hinweise zur Bilanzierung enthalten zudem die Verlautbarungen des Hauptfachausschusses des IDW zur Rechnungslegung. Für das selbst erstellte Vorratsvermögen ist insbesondere auf IDW RS HFA 31 zu Herstellungskosten und auf IDW RS HFA 38 zur Ansatz- und Bewertungsstetigkeit zu verweisen. Sie legen die Berufsauffassung der Wirtschaftsprüfer zu Rechnungslegungsfragen dar. Abweichungen von den Rechnungslegungsstandards sind vom Abschlussprüfer (im Prüfungsbericht) anzugeben und zu begründen.

Faktische Bedeutung kommt schließlich den Verwaltungsvorschriften, wie den BMF-Schreiben (z. B. BMF, Schreiben v. 22.6.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl 2010 I S. 597), den ESt-Richtlinien (z. B. R 5.4, 6.3, 6.8, 6.9 EStR) und den sie ergänzenden ESt-Hinweisen (z. B. H 6.3 EStH), zu. Bindende Wirkung erlangen sie zwar "nur" für Finanzbehörden. Für steuerliche Zwecke ist ihre Richtigkeit aber zu vermuten, weshalb ein Abweichen nachvollziehbarer Gründe bedarf (mit der Selbstbindung der Verwaltung und unter Berücksichtigung des Prinzips der gleichmäßigen Besteuerung sind Verwaltungsanweisungen auch von Steuergerichten zu beachten, soweit ihre Anwendung nicht zu einer unzutreffenden Besteuerung führen würde; so der BFH zur Bedeutung der AfA-Tabellen in BFH, Urteil v. 14.4.2011, IV R 46/09, Rz. 32).

1 Herstellungskosten

1.1 Grundlagen

Herstellungskosten sind handelsrechtlich definiert als "die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen"[1]. Wie die Anschaffungskosten sind auch die Herstellungskosten final zu interpretieren. Als solche umfassen sie nicht nur die durch die Herstellung verursachten Kosten, sondern sämtliche Aufwendungen, die der Kaufmann für die Erstellung, Erweiterung oder wesentliche Verbesserung eines Vermögensgegenstands in Kauf nimmt.[2] Gemeinsam ist beiden Wertmaßstäben zudem der pagatorische Charakter: Aktiviert werden ausschließlich vom Kaufmann getätigte Ausgaben, nicht dagegen kalkulatorische Kosten.

Die Herstellung eines Vermögensgegenstands ist im Gegensatz zur Anschaffung ein zeitraumbezogener Vorgang. Sie beginnt, wenn erstmals aufwandswirksame Maßnahmen ergriffen werden, um einen Vermögensgegenstand zu schaffen oder i. S. d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu verändern.[3] Dieser Zeitpunkt fällt bei Vorräten regelmäßig mit dem technischen Fertigungsbeginn zusammen. In Ausnahmefällen können Vorbereitungskosten (z. B. Planungskosten bei langfristiger Auftragsfertigung)[4] zu aktivieren sein.[5] Die Herstellung endet bei Vorratsgütern in dem Zeitpunkt, in dem sie ihre Absatzreife erlangt haben.[6] Soweit die Lagerung dazu dient, die Qualität des Erzeugnisses zu verbessern, sind die Aufwendungen als Teil des Herstellungsvorgangs anzusehen (z. B. bei Wein, Whisky).[7] Notwendige Abfüllkosten,[8] Transportkosten zu den Auslieferungslagern und erforderliche Warenumschließungen sind dagegen stets dem Herstellungszeitraum zuzurechnen.[9]

Anders als der Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB umfasst der Herstellungskostenbegriff neben den Einzelkosten auch Gemeinkosten. Aufgrund der teilweise unterschiedlichen Rechtsfolgeanordnungen für diese Kostenbestandteile in § 255 Abs. 2, 3 HGB kommt der Abgrenzung v.a. unter bilanzpolitischen Gesichtspunkten Bedeutung zu.

Mangels einer eigenständigen Definition greift das Steuerrecht auf den handelsrechtlichen Herstellungskostenbegriff zurück.[10] Bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG ist die handelsrechtliche Ausübung der Einbeziehungswahlrechte auch der steue...

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