§ 255 Abs. 2 Satz 4 HGB verbietet, Forschungs-[1] und Vertriebskosten in die Herstellungskosten einzubeziehen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um (Sonder-)Einzel- oder Gemeinkosten handelt. Entsprechendes gilt für die Steuerbilanz.[2]

Der betrieblichen Funktion "Vertrieb" sind jene Aktivitäten zuzurechnen, die auf den Absatz der verkaufsfertigen bzw. auslieferungsfähigen Produkte zielen. Im Übrigen sind die vorzufindenden Aufzählungen von Vertriebskosten eher kasuistisch. Als typische Beispiele werden Personal- und Sachkosten der Vertriebs-, Werbe- und Marketingabteilung, des Vertreternetzes sowie der Fertigwaren- und Vertriebsläger, innerbetriebliche Transportkosten, Kosten der Werbung, Absatzförderung und Marktforschung, Ausstellungs- und Messekosten, Verkäufer- und Kundenschulung sowie Reisekosten des Vertriebsbereichs genannt.

Vertriebskosten können zeitlich vor Beginn der Fertigung, fertigungsbegleitend (z. B. Werbekosten) oder nach Abschluss der Herstellungsphase anfallen. Letztere sind im Allgemeinen problemlos zu identifizieren. Hierzu rechnen namentlich bestimmte Sondereinzelkosten des Vertriebs wie Verkaufsprovisionen, Kosten einer Transport-, Ausfuhrkredit- oder Delkredereversicherung sowie für Liefer- und Anzahlungsgarantien, umsatzabhängige Lizenzgebühren sowie Konventionalstrafen.[3] Differenziert zu beurteilen sind Verpackungskosten. Während die Kosten für Verpackungen, die notwendig sind, um ein Produkt in den Verkehr zu bringen (sog. Innenverpackung, z. B. Flaschen, Tuben) zu den Herstellungskosten rechnen, dürfen Kosten für allein dem Transport, der Lagerung oder Werbung dienende Außenverpackungen nicht in die Herstellungskosten eingehen. Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenverpackung erweist sich als fließend und kann oft nur nach den Verhältnissen im Einzelfall erfolgen. Entscheidend ist, ob eine Verpackung aufgrund der Eigenart eines Produkts erforderlich ist, um dieses verkaufsfähig zu machen. In welchen Verkaufseinheiten ein Hersteller oder Händler das Produkt am Markt anbietet, ist unbeachtlich.

 
Praxis-Beispiel

Entscheidungen des BFH zu Verpackungs- und Vertriebskosten

Der BFH hat beispielsweise zu den Herstellungskosten der Sekterzeugung neben den Kosten der Flasche, des Korkens und des Drahtbügels auch die Kosten des Etiketts und der Stanniolverkleidung des Korkens gezählt, da sie nach der Verkehrsauffassung Bestandteil des Erzeugnisses und damit mit diesem als Sachganzes zu bewerten seien.[4] Gleiches gilt für die Kosten von Schutzumschlägen von Büchern.[5] Aufwendungen für sog. Verkaufskartons, in die einzeln verpackte Erzeugnisse eingelegt werden,[6] rechnen dagegen ebenso wie die Cellophanumhüllung einer DVD zu den Vertriebskosten.[7]

[1] Zu Forschungskosten vgl. Bertram, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 11. Aufl. 2020, § 255, Rz. 182 ff.
[2] Zu Vertriebskosten auch R 6.3 Abs. 6 Satz 3 EStR.
[3] Vgl. Schubert/Hutzler, in Beck Bil-Komm., 12. Aufl. 2020, § 255 HGB, Rn. 443.

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