Leitsatz

1. Lässt sich der Regelungsgehalt eines Verlangens zur Vorlage von Unterlagen auch nicht durch Auslegung unter Berücksichtigung der dem Adressaten bekannten Umstände hinreichend klar ermitteln, ist das Verlangen rechtswidrig und nicht nach §§ 328ff. AO vollstreckbar.

2. Ein Vorlageverlangen ist i.d.R. übermäßig und damit rechtswidrig, wenn es sich auf Unterlagen richtet, deren Existenz beim Steuerpflichtigen ihrer Art nach nicht erwartet werden kann.

3. Vorlageverweigerungsrechte aus § 104 Abs. 1 AO bestehen auch in der beim Berufsgeheimnisträger (Rechtsanwalt, Steuerberater usw.) selbst stattfindenden Außenprüfung, jedoch kann das FA grundsätzlich die Vorlage der zur Prüfung erforderlich erscheinenden Unterlagen in neutralisierter Form verlangen.

 

Normenkette

§ 102 Abs. 1 Nr. 3, § 104 Abs. 1, § 85, § 88 Abs. 1, § 125 Abs. 2 Nr. 2, § 200 Abs. 1, § 328, § 332 Abs. 2 S. 2, § 393 Abs. 1 S. 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, Steuerberater und Notar, ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Er lehnte es unter Berufung auf seine berufliche Verschwiegenheitspflicht und die daraus folgenden Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte ab, an einer vom FA angeordneten Außenprüfung mitzuwirken und die angeforderten Unterlagen vorzulegen. Daraufhin forderte das FA in verschiedenen Verwaltungsakten zahlreiche Unterlagen an, wies den Kläger aber darauf hin, dass er das Recht habe, die mandantenbezogenen Daten, die seiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen, zu schwärzen.

Das FA drohte bei Nichterfüllung des Verlangens die Festsetzung von Zwangsgeldern an und setzte diese schließlich fest. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (FG Münster, Urteil vom 25.07.2003, 11 K 3622/02, Haufe-Index 1408817, EFG 2005, 1402).

 

Entscheidung

Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage teilweise statt. Aus der Reihe verschiedener Vorlageverlangen des FA war ein Teil wegen Unbestimmtheit rechtswidrig, ein anderer Teil, weil das FA Unterlagen (z.B. Kassenbücher) verlangt hatte, zu deren Erstellung der Kläger gesetzlich nicht verpflichtet und deren Existenz bei ihm auch nicht zu erwarten war.

Hingegen konnte sich der Kläger nicht auf Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte nach § 103 und § 104 der Abgabenordnung berufen, weil das FA die Vorlage mandantenbezogener Unterlagen lediglich in neutralisierter Form verlangt hatte.

 

Hinweis

1. Berufsgruppen, die einer gesetzlichen Schweigepflicht unterliegen, z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und dgl., befinden sich, wenn sie selbst von einer Außenprüfung betroffen sind, in einer Pflichtenzange. Alles, was die Patienten oder Mandanten betrifft, fällt grundsätzlich unter die Schweigepflicht. Während einer Außenprüfung ist die jeweilige Berufsangehörige jedoch grundsätzlich umfassend zur Mitwirkung und damit auch zur Offenbarung von Unterlagen verpflichtet.

Wie dieses Dilemma zu lösen ist, war bisher weitgehend ungeklärt. Deshalb war das hier wiedergegebene Urteil – wie die zahlreichen Anfragen während des Revisionsverfahrens erweisen – mit großen Erwartungen der beteiligten Kreise verknüpft. Soweit die Erwartungen darauf gerichtet waren, dass der BFH eine umfassende Gebrauchsanweisung für die Handhabung der Schweigepflicht während einer Außenprüfung erarbeiten würde, mussten sie zwangsläufig enttäuscht werden. Der BFH kann – entsprechend seiner Aufgabenstellung als Revisionsgericht – i.d.R. nur den jeweiligen Einzelfall lösen und auch nur solche abstrakten Rechtssätze aufstellen, die für den konkreten Fall erforderlich sind. Mit der Aufgabe, jeweils am einzelnen Fall eine Art umfassendes Lehrbuch zu entwickeln, würde der BFH sich überheben.

2. Bisher hatte der BFH bereits entschieden: Auch gegen gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtete und zur Verweigerung von Auskünften berechtigte Personen, wie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, kann eine Außenprüfung angeordnet werden. Die Finanzbehörde muss aber im Einzelfall im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung über die Anfertigung von Kontrollmitteilungen entscheiden und den Steuerpflichtigen (Berufsträger) rechtzeitig von einer entsprechenden Absicht informieren. Dem Steuerpflichtigen wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, sich mit den gesetzlich eingeräumten Rechtsbehelfen im konkreten Fall gegen die Umsetzung zur Wehr zu setzen (BFH, Urteil vom 08.04.2008, VIII R 61/06, BFH/NV 2008, 1223, BFH/PR 2008, 365).

3. Das hier besprochene Urteil konkretisiert die Rechtslage für den Berufsgeheimnisträger während einer Außenprüfung ein -- allerdings kleines – Stück weiter. Danach gilt Folgendes:

a) Aus dem Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrecht nach § 102 Abs. 1 Nr. 3, § 104 Abs. 1 S. 1 AOfolgt nicht, dass der Berufsgeheimnisträger während der Außenprüfung keinerlei Auskünfte geben und keinerlei Unterlagen vorlegen muss. Vielmehr ist er grundsätzlich zur Mitwirkung verpflichtet.

b)Keine Verweigerungsrechte bestehen für Unterlagen, die mit den Mandanten nicht...

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