Leitsatz

Ist eine Sanktion gegen einen Ausführer zu verhängen, der unter zutreffender Darstellung des für die Gewährung von Ausfuhrerstattung maßgeblichen Sachverhalts einen Erstattungsantrag stellt, obwohl für die betreffende Ausfuhr tatsächlich kein Erstattungsanspruch besteht (Vorabentscheidungsersuchen gem. Art. 267 AEUV)?

 

Normenkette

Art. 11 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3665/87

 

Sachverhalt

Ein Unternehmen hatte in sog. Isolierschlachtbetrieben erschlachtetes Rindfleisch ausgeführt und dafür Ausfuhrerstattung in Anspruch genommen, obwohl – wie der EuGH allerdings erst später entschieden hat – für solches Fleisch keine Erstattung gewährt wird, da es nicht "von gesunder und handelsüblicher Qualität" sei (EuGH, Urteil vom 26.5.2005, C-409/03, SEPA, BFH/NV Beilage 2005, 342). Das Unternehmen musste deshalb die Erstattung zurückzahlen – was unstrittig ist. Die Erstattung war vom HZA u.a. zunächst deshalb gewährt worden, weil es von der vorgenannten Beschaffenheit des Fleischs nichts wusste. Das Unternehmen hatte freilich die Beschaffenheit nicht verschwiegen, sondern die Ausfuhrzollstelle davon unterrichtet. Diese hatte diese Information aber nicht an das für die Erstattungsfestsetzung zuständige HZA weitergeleitet (vermutlich, weil es sie – vor der EuGH-Entscheidung! – für rechtlich belanglos hielt).

Nunmehr verlangt das HZA von dem Unternehmen auch noch Zahlung einer Sanktion mit der Begründung, es habe bei dem HZA eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt und dadurch den Tatbestand des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen verwirklicht (heute: Art. 48 Verordnung [EG] Nr. 612/2009).

 

Entscheidung

Der BFH (Vorinstanz: FG Hamburg, Urteil vom 8.9.2008, 4 K 19/06, Haufe-Index 2370899) hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die eingangs mitgeteilte Frage gestellt.

 

Hinweis

Wer eine höhere als die ihm zustehende Ausfuhrerstattung beantragt, muss neben der Rückforderung der Erstattung gewärtigen, dass gegen ihn eine Verwaltungssanktion i.H. der Hälfte des zuviel beantragten Betrags verhängt wird (wenn kein Vorsatz nachweisbar ist). Diese Sanktion wird selbst dann verhängt, wenn dem Betreffenden kein Verschulden an dem unzutreffenden Erstattungsantrag nachgewiesen werden kann!

Der maßgebliche Antrag ist insofern die (bei der Ausfuhrzollstelle abzugebende) Ausfuhranmeldung und nicht der in Deutschland später noch beim HZA Hamburg-Jonas zu stellende Zahlungsantrag.

In jener Ausfuhranmeldung wird u.a. die Art der Ware bezeichnet. Ob für diese Ware Ausfuhrerstattung zu gewähren ist, hat letztlich das HZA zu prüfen. Im Besprechungsfall hat es dies mit einem objektiv unrichtigen Ergebnis getan, weil ihm der Sachverhalt nicht vollständig bekannt oder die Rechtslage nicht klar war. Ersteres beruhte darauf, dass die Ausfuhrzollstelle dem HZA nicht alle von dem Unternehmen eingereichten Unterlagen vorgelegt hatte; insbesondere nicht die sog. Genusstauglichkeitsbescheinigung des Veterinärs, aus der sich die Herkunft des Fleisches aus einem Isolierschlachtbetrieb klar ergab (was seiner Erstattungsfähigkeit nach der Rechtsprechung des EuGH abträglich ist).

Wenn man dieses Versäumnis der Ausfuhrzollstelle dem Unternehmen nicht anlastet, stellt sich gleichwohl die Frage, ob es nicht dennoch "eine höhere als die ihm zustehende" Erstattung beantragt hat. Denn wenn es keine Erstattung hätte haben wollen, hätte es nicht die Ausfuhranmeldung abgegeben, die es aber tatsächlich abgegeben hat.

Ist also eine Sanktion auch dann verwirkt, wenn sich aus den in einer Ausfuhranmeldung enthaltenen Angaben bei zutreffender rechtlicher Würdigung ergibt, dass dem Ausführer keine Ausfuhrerstattung zu zahlen ist? Das erscheint fraglich, weil der EuGH bislang immer auf die falschen "Angaben" des Ausführers abgestellt hat. Erst in dem Urteil vom 24.4.2008, C-143/07 – AOB Reuter – (BFH/NV Beilage 2008, 185) wurde der Eindruck erweckt, sanktionswürdig sei auch das Stellen eines (unberechtigten) Antrags als solches, weil dieser bereits die Gefahr in sich birgt, es werde (aufgrund eines Irrtums der Zahlstelle) zu Unrecht Erstattung gezahlt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 7.9.2011 – VII R 45/10

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