Soweit vorläufig festgesetzt ist, kann die Festsetzung (jederzeit) nach Satz 1 des § 165 Abs. 2 AO aufgehoben oder geändert werden. Auf dieser Vorschrift beruhende Änderungsbescheide können auch unter Fortbestand der Ungewissheit und damit auch des Vorläufigkeitsvermerks ergehen.[1]

Ist die Ungewissheit beseitigt, muss das Finanzamt den entsprechenden Änderungs- oder Aufhebungsbescheid nach Satz 2 des § 165 Abs. 2 AO erlassen.

In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO, also bei vorläufiger Steuerfestsetzung wegen einfachgesetzlicher Fragen, endet nach Satz 3 des § 165 Abs. 2 AO die Ungewissheit, sobald feststeht, dass die Grundsätze der Entscheidung des BFH über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden sind. Denn die Entscheidung des BFH im Musterverfahren begründet allein keine Bindung für gleich gelagerte Fälle. Sie gilt nur zwischen den Verfahrensbeteiligten. Die Ungewissheit wird erst beseitigt, wenn durch Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl oder durch Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2b AO[2] feststeht, dass die Grundsätze der Entscheidung über den vom BFH entschiedenen Fall hinaus auf alle vergleichbaren offenen Fälle anzuwenden sind.

Zeitlich sind die Korrekturmöglichkeiten nach § 165 Abs. 2 AO durch die Festsetzungsverjährung[3] begrenzt. Diesbezüglich gibt es einen speziellen Ablaufhemmungstatbestand.[4]

Bedeutet die Änderung oder Aufhebung des vorläufigen Bescheids eine Verschlechterung für den Steuerpflichtigen, kann er Einspruch gegen den Änderungsbescheid einlegen. Mit ihm kann er jedoch grundsätzlich nicht mehr einwenden, die Änderung oder Aufhebung sei deswegen unrechtmäßig, weil ein vorläufiger Bescheid nicht hätte ergehen dürfen.[5] Dies folgt aus dem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz, dass fehlerhafte Steuerbescheide, wenn sie nicht nichtig sind oder aufgrund eines Rechtsbehelfs aufgehoben wurden, die mit ihnen verbundenen Rechtswirkungen entfalten. Will man spätere Änderungen einer Vorläufigkeitsfestsetzung – deren Rechtmäßigkeit in Zweifel gezogen wird – verhindern, bedarf es deren sofortiger (erfolgreicher) Anfechtung.[6]

Ergeht ein Änderungsbescheid, bleibt die Vorläufigkeit bestehen, auch wenn sie nicht ausdrücklich im Änderungsbescheid wiederholt wird.[7] Enthält aber der Änderungsbescheid einen Vorläufigkeitsvermerk, wird durch diesen der Umfang der Vorläufigkeit neu bestimmt, mit entsprechenden Konsequenzen für den Änderungsumfang nach § 165 Abs. 2 AO.[8] Dies gilt auch, wenn ein sowohl auf § 165 Abs. 1 Satz 1 AO als auch auf § 165 Abs. 1 Satz 2 AO gestützter Vorläufigkeitsvermerk im Änderungsbescheid durch einen allein auf § 165 Abs. 1 Satz 2 AO gestützten Vorläufigkeitsvermerk ersetzt wird.[9]

Schließlich ist eine Neubestimmung auch dann gegeben, wenn ein manuell gesetzter Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs 1 Satz 1 AO in einem nachfolgenden Änderungsbescheid neben einem maschinell gesetzten Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs 1 Satz 2 AO lediglich mit einem Hinweis auf die Rechtsnorm "wiederholt" wird, ohne (erneut) Grund und Umfang der Vorläufigkeit im Erläuterungsteil anzugeben.[10]

Eine Änderung nach § 165 Abs. 2 AO ist immer nur im Rahmen des angegebenen, ggf. auszulegenden Umfangs möglich. Hierbei ist das Finanzamt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei. Es muss sich allerdings um nachrangige Folgefragen handeln, deren Entscheidung im Hinblick auf die Vorläufigkeit ebenfalls zurückzustellen war.[11]

Anders ist dies bei vorrangigen Fragen, die unabhängig von der Vorläufigkeit bereits entschieden bzw. von ihr nicht erfasst wurden. Die Änderung kann demnach nur auf die Besteuerungsfolgen ausgedehnt werden, die noch in einem Sachzusammenhang mit der Ungewissheit stehen.[12] So hatte das FG Münster in einem Fall der strittigen Einkunftserzielungsabsicht entschieden, in welchem das Finanzamt den Bescheid deswegen zwar vorläufig erlassen, die zugrunde liegenden Betriebsausgaben aber schon endgültig geprüft hatte.[13]

 
Praxis-Beispiel

Nachrangigkeit

S erwirbt in 01 ein Gebäude, um es zu sanieren und anschließend zu vermieten. In seiner ESt-Erklärung 01 gibt er einen Verlust aus VuV an. Unter den Werbungskosten befindet sich ein Sanierungsaufwand, den er nach § 82b EStDV auf 2 Jahre verteilt. Das Finanzamt akzeptiert dies mit dem Vermerk "Erhaltungsaufwand geprüft", erkennt jedoch den Verlust wegen der noch nicht geklärten Überschusserzielungsabsicht insgesamt nur vorläufig an. In 02 macht S den 2. Teil des in 01 entstandenen Sanierungsaufwands geltend. Dies lehnt das Finanzamt im Hinblick auf die Überschreitung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ab. Es behandelt den Aufwand als anschaffungsnahe, nicht sofort abziehbare Herstellungskosten und ändert gem. § 165 Abs. 2 Satz 1 AO auch den ESt-Bescheid für 01.

Es handelt sich bei der Qualifizierung des Aufwands um eine gegenüber der hier als ungewiss herausgestellten Einkünfteerzielungsabsicht (Hauptfrage) nachgelagerte Frage. Erklärt das Finanzamt die Steuerfestsetzung für vorläufig, wei...

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