Leitsatz

1. Bestreitet der Leistungsempfänger substanziiert Bestehen und Höhe des vereinbarten Entgelts, kommt eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG in Betracht. Eine Forderung ist aber nicht schon dann uneinbringlich, wenn der Leistungsempfänger die Zahlung nach Fälligkeit verzögert, sondern erst, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann.

2. § 137 Satz 1 FGO ist dahin auszulegen, dass die Entscheidung auf dem verspäteten Tatsachenvortrag oder Beweis beruhen muss; die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Entscheidung bei rechtzeitigem Tatsachenvortrag oder Beweis genauso ausgefallen wäre.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GbR, erhielt 1998 von einer GmbH den Auftrag, eine Wohnanlage zu einem Pauschalfestpreis zu sanieren. Von der Schlussabrechnung – nach Einzug der Mieter – machte die GmbH u.a. einen Rückbehalt bis zur ordnungsgemäßen Fertigstellung der mangelhaften Fassade geltend, während die Klägerin die Nachbesserung verweigerte. Vor dem Landgericht verglichen sich die Vertragsbeteiligten im Jahr 2000.

Das FA ging davon aus, dass die Werklieferung im Februar 1999 erfolgt und daher das zurückbehaltene Entgelt in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer einzubeziehen sei. Die Klägerin meinte, die Bemessungsgrundlage sei 1999 um das zurückbehaltene Entgelt wegen Uneinbringlichkeit zu vermindern. Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg.

Die Kosten des Klageverfahrens erlegte das FG unter Berufung auf § 135 Abs. 1, § 137 FGO wegen verspäteten Vorbringens ganz der Klägerin auf. Das FA wandte sich gegen die materiellrechtliche Entscheidung des FG, die Klägerin gegen die Auferlegung der Kosten.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung des FG, weil sich die GmbH unter Berufung auf Sachverständige auf den Standpunkt gestellt hatte, die vertragsmäßige mangelfreie Leistung sei noch nicht erbracht und die Klägerin nicht nachbessern wollte. Der Streitfall lag daher anders als in den Fällen des sog. Druckeinbehalts, in denen der Abnehmer des Werks die fällige Leistung ohne substanziiertes Bestreiten der Forderung nur verzögert oder nach dem Willen beider Vertragsparteien die Baumängel noch beseitigt werden sollen.

Zum Mangel der Kostenentscheidung sagt der Leitsatz alles.

 

Hinweis

1. Ist das vereinbarte Entgelt für die steuerpflichtige Lieferung uneinbringlich geworden, ist die Bemessungsgrundlage entsprechend zu mindern (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 UStG). Der Begriff der Uneinbringlichkeit ist nicht definiert; das Gesetz geht davon aus, dass trotz "Uneinbringlichkeit" noch Zahlungen eingehen können (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Diese Sonderregelung ist nach ihrem Zweck daher für die Fälle der Uneinbringlichkeit nur ein besonders erwähnter Unterfall des § 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG, der ebenfalls nur den Grundsatz verwirklichen soll, dass sich die Umsatzbesteuerung (letztlich) auf den Umfang der tatsächlich vereinnahmten Gegenleistung beschränkt.

Die Vorschrift berücksichtigt auch, dass die Besteuerung nach dem Sollprinzip auf der am Regelfall orientierten Erwartung des Gesetzes beruht, der Leistungsempfänger werde die Forderung des Leistenden befriedigen und damit das betragsmäßige Gleichgewicht von Vorsteuerabzug und Umsatzsteuerschuld herstellen.

Die im Leitsatz unter 1. definierten Voraussetzungen für eine Uneinbringlichkeit liegen auch vor, wenn und ggf. soweit der Leistungsempfänger das Bestehen dieser Forderung ganz oder teilweise substanziiert bestreitet und damit erklärt, dass er die Forderung (ganz oder teilweise) nicht bezahlen werde. Damit entfällt seine Berechtigung für den Abzug der Vorsteuer und dementsprechend ist die Umsatzsteuerschuld des Leistenden nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu korrigieren. Ob nicht mehr damit zu rechnen ist, dass die Forderung nicht mehr bezahlt werden kann, ist im Wesentlichen Tatfrage. Nicht berücksichtigt werden dürfen bei der Beurteilung spätere Ereignisse wie z.B. ein Vergleich in einem folgenden Besteuerungszeitraum. Diese führen lediglich zu einer weiteren Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.

2. Eine Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird (§ 145 FGO). Mit einer Anschlussrevision kann sich ein Beteiligter aber auch nur gegen die Kostenentscheidung wenden. Eine abweichende Kostenentscheidung nach § 137 FGO – Kosten trotz Obsiegens – setzt die Kausalität des verspäteten Vorbringens für die Entscheidung voraus.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.4.2004, V R 72/03

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