Zusammenfassung

 
Begriff

Bei dem Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2c AO handelt es sich um eine Sanktionsmöglichkeit der Finanzverwaltung. Von erheblicher Bedeutung ist, dass sich der Anwendungsbereich dieses Sanktionsinstruments nicht auf den Bereich der Verlagerung der elektronischen Buchführung in das Ausland beschränkt, sondern die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes jeden Steuerpflichtigen treffen kann, bei dem eine steuerliche Außenprüfung durchgeführt wird.

Das Verzögerungsgeld kann von der Finanzverwaltung in 2 Bereichen festgesetzt werden, die nur sehr mittelbar etwas miteinander zu tun haben:

  • Zum einen kommt eine Festsetzung dann in Betracht, wenn ein Steuerpflichtiger gegen seine Pflichten im Zusammenhang mit dem Transfer der elektronischen Buchführung ins Ausland sowie deren Lagerung dort verstößt;
  • Zum anderen kann die Festsetzung dann erfolgen, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Mitwirkungspflichten im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung nicht in angemessener Weise nachkommt.

Ist einer dieser beiden Anwendungsfälle gegeben, kann die Finanzverwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen ("Entschließungsermessen") ein Verzögerungsgeld zwischen 2.500 EUR und 250.000 EUR festsetzen. Auch hinsichtlich der Höhe hat die Finanzverwaltung ihr Ermessen pflichtgemäß auszuüben ("Auswahlermessen").

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Die gesetzliche Grundlage des Verzögerungsgeldes findet sich in § 146 Abs. 2c AO, der durch das Jahressteuergesetz 2009[1] in die AO eingefügt wurde.[2] Weiterhin zu beachten sind die allgemeinen Regelungen für Verwaltungsakte in § 118 ff. AO. Ergänzt wurde das Verzögerungsgeld zudem in § 3 Abs. 4 AO, in dem die steuerlichen Nebenleistungen aufgeführt sind.[3] In der Zwischenzeit wurden verschiedene Urteile von Finanzgerichten und dem BFH veröffentlicht, die die Rechtslage zum Verzögerungsgeld konkretisieren, wenn auch noch längst nicht alle Rechtsfragen als geklärt anzusehen sind.[4] Die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung ist aus mehreren Veröffentlichungen ersichtlich.[5] Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung dürfte gegeben sein,[6] wird aber teilweise nach wie vor als kritisch angesehen.[7]

Durch das JStG 2020 v. 21.12.2020[8] kam es hinsichtlich der gesetzlichen Regelung zum Verzögerungsgeld insofern zu einer Änderung, als der bisherige Abs. 2b zu Abs. 2c wurde.[9] Dementsprechend ist bei älteren Kommentierungen und Aufsätzen darauf zu achten, dass, wenn § 146 Abs. 2b AO zitiert wird, der jetzige § 146 Abs. 2c AO gemeint ist.

[1] Jahressteuergesetz 2009 v. 19.12.2008, BGBl. 2008 I S. 2794; dort noch als § 146 Abs. 2b AO
[2] Zur ursprünglichen Gesetzesfassung vgl. Lange/Rengier, DB 2009, S. 1256; Geißler, NWB 2009 S. 4076.
[3] Rätke, in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 146 AO Rz. 65; Haselmann, in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 146 AO Rz. 34.
[4] S. auch Dißars, NWB 2012 S. 796; hingewiesen werden soll darauf, dass entgegen der ursprünglichen Gesetzesfassung eine Verlagerung der elektronischen Buchführung nicht mehr nur in das EU/EWR-Ausland erfolgen darf, zur aktuellen Gesetzesfassung vgl. Schimmle, AO-StB 2011, S. 347.
[5] S. etwa den Fragenkatalog zum Verzögerungsgeld, aktuelle Fassung v. 28.9.2011, der unter www.bundesfinanzministerium.de, herunterzuladen ist, sowie FinMin Schleswig-Holstein, Schreiben v. 26.10.2010, VI 328 – S 0316 – 032; zum aktuellen Fragenkatalog des BMF ausführlich Dißars, Stgb 2012 S. 433; zur im Wesentlichen deckungsgleichen Vorfassung s. Drüen, Ubg 2011, S. 83.
[6] Haselmann, in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 146 AO Rz. 35.
[7] Siehe insbesondere Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146 AO Rz. 51.
[8] BGBl2020 I S. 3096.
[9] Rätke, in Klein, AO, 16. Aufl. 2020, § 146 AO Rz. 65.

1 Voraussetzungen der Festsetzung

1.1 Anwendungsbereich

Ein unbefangener Leser des § 146 Abs. 2c AO könnte den Eindruck gewinnen, die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes komme nur dann in Betracht, wenn im Rahmen einer Verlagerung der elektronischen Buchführung in das Ausland vom Steuerpflichtigen gegen eine Pflicht verstoßen wird, die im Zusammenhang mit dieser Sonderregelung steht. Dieser Eindruck wird dadurch gestützt, dass das Verzögerungsgeld zusammen mit der Regelung des § 146 Abs. 2a AO in das Gesetz eingefügt wurde, der die Voraussetzungen für die Verlagerung der elektronischen Buchführung normiert. Tatsächlich wird in der Literatur auch dieser enge Anwendungsbereich des Verzögerungsgeldes vertreten.[1] Auch das FG Sachsen Anhalt hat in einem Beschluss v. 16.2.2011 diese Ansicht geäußert.[2] Aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Bestimmung lässt sich diese – wenngleich aus Sicht des Steuerpflichtigen durchaus wünschenswerte – Rechtsauffassung nicht aufrechterhalten. Tatsächlich kommt die Festsetzung eines Verzögerungsgelds aber in 2 sehr unterschiedlichen Fällen in Betracht:

  • Ein Steuerpflichtiger verstößt gegen Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Transfer der elektronischen Buchführung in das Ausland stehen,[3] sowie
  • Ein Steuerpflichtiger kommt seinen Mitwirkungspflichten im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung nicht nach. Dieser zweite Fall war bei de...

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