Ein unbefangener Leser des § 146 Abs. 2c AO könnte den Eindruck gewinnen, die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes komme nur dann in Betracht, wenn im Rahmen einer Verlagerung der elektronischen Buchführung in das Ausland vom Steuerpflichtigen gegen eine Pflicht verstoßen wird, die im Zusammenhang mit dieser Sonderregelung steht. Dieser Eindruck wird dadurch gestützt, dass das Verzögerungsgeld zusammen mit der Regelung des § 146 Abs. 2a AO in das Gesetz eingefügt wurde, der die Voraussetzungen für die Verlagerung der elektronischen Buchführung normiert. Tatsächlich wird in der Literatur auch dieser enge Anwendungsbereich des Verzögerungsgeldes vertreten.[1] Auch das FG Sachsen Anhalt hat in einem Beschluss v. 16.2.2011 diese Ansicht geäußert.[2] Aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Bestimmung lässt sich diese – wenngleich aus Sicht des Steuerpflichtigen durchaus wünschenswerte – Rechtsauffassung nicht aufrechterhalten. Tatsächlich kommt die Festsetzung eines Verzögerungsgelds aber in 2 sehr unterschiedlichen Fällen in Betracht:

  • Ein Steuerpflichtiger verstößt gegen Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Transfer der elektronischen Buchführung in das Ausland stehen,[3] sowie
  • Ein Steuerpflichtiger kommt seinen Mitwirkungspflichten im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung nicht nach. Dieser zweite Fall war bei der Schaffung des § 146 Abs. 2b (jetzt Abs. 2c) AO nicht ganz unumstritten, ist aber vom BFH bestätigt worden.[4] Die Finanzverwaltung hat sich dem in vollem Umfang angeschlossen.[5] In der Praxis der Rechtsanwendung kommt diesem Fall die mit Abstand größere Bedeutung zu. Soweit ersichtlich betreffen alle bislang im Zusammenhang mit dem Verzögerungsgeld ergangenen Gerichtsentscheidungen Verstöße gegen Mitwirkungspflichten im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung. Dies dürfte sich zukünftig ändern, da ab 2025 die Regelung des § 200a AO greift, der ein sog. Mitwirkungsverzögerungsentgelt bei Verweigerung der Mitwirkung im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung normiert. Der Gesetzgeber scheint hier seinen systematischen Fehlgriff korrigieren zu wollen.
[1] Vgl. hierzu Drüen, in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 146 AO Tz. 50.
[3] Achtung: Seit der Änderung von § 146 Abs. 2a und 2b AO ist auch die Verlagerung in mehrere Länder der EU oder Drittstaaten zulässig, DAC 7-Umsetzungsgesetz v. 20.12.2022, BGBl 2022 I S. 2720.
[5] Fragen und Antworten-Katalog, Antworten zu Fragen 3 und 4.

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