Leitsatz

Für die Anwendung des § 233a AO sind die Ursachen und Begleitumstände im Einzelfall grundsätzlich unbeachtlich. Insbesondere ist ein Verschulden des Finanzamts oder des Steuerpflichtigen irrelevant.

 

Sachverhalt

Das Finanzamt führte bei der Steuerpflichtigen eine steuerliche Betriebsprüfung für die Umsatzsteuer der Jahre 2004 bis 2007 durch. Es stellte fest, dass bei bestimmten Reihengeschäften mit ausländischen Händlern die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i. V. m. § 6 UStG nicht in Anspruch genommen werden könne, und behandelte die insoweit bisher als steuerfrei behandelten und erklärten Lieferungen als umsatzsteuerpflichtig.

Mit den geänderten Steuerbescheiden hat das Finanzamt zudem Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer für 2004 bis 2007 in Höhe von rund 426.000 EUR festgesetzt. Im Einspruchsverfahren gegen die Zinsbescheide machte die Steuerpflichtige erfolglos geltend, dass § 233a AO, dessen Zweck darin bestehe, Liquiditätsvorteile abzuschöpfen, vorliegend nicht greife. Auch dem weiteren Einwand, dass die Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen sei, dass Zinsen nur dann festzusetzen seien, wenn ein solcher Liquiditätsvorteil auf Seiten des Steuerpflichtigen tatsächlich bestanden habe oder möglich sei, folgte das Finanzamt nicht.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht hat entschieden, dass die Zinsbescheide rechtmäßig und die festgesetzten Beträge auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind.

Die Verzinsung nach § 233a AO sei wegen ihres typisierenden Charakters unabhängig von einem Verschulden des Finanzamts oder des Steuerpflichtigen; sie sei durch ihre Abschöpfungswirkung gekennzeichnet. Ob Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden seien, sei für die Festsetzung grundsätzlich unbeachtlich. Der Gesetzgeber habe im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil typisierend festgelegt. Daraus folge, dass es auf den im Einzelfall vom Steuerpflichtigen konkret erzielten bzw. vom Steuergläubiger erlittenen Zinsvorteil oder -nachteil nicht ankommen soll.

 

Hinweis

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist für die Verzinsung einer Steuernachforderung zwar kein Raum, wenn zweifelsfrei feststeht, dass ein Steuerpflichtiger durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hat. Diese Umstände sind jedoch bei der Frage einer möglichen Billigkeitsmaßnahme und nicht auf der Ebene des Festsetzungsverfahrens zu berücksichtigen. Im Festsetzungsverfahren muss daher ein etwaiger nicht vorhandener Liquiditätsvorteil auf Grund der gesetzlich vorgesehenen Typisierung unberücksichtigt bleiben.

 

Link zur Entscheidung

FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.11.2016, 3 K 1042/11

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