Ist einem Schuldverhältnis, z. B. Kaufvertrag oder Werkvertrag, nicht zu entnehmen, an welchem Ort die Leistung zu erfolgen hat und lässt sich der Leistungsort auch nicht aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses entnehmen, schreibt § 269 BGB den Leistungsort verbindlich vor. Die Leistung ist im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zum Zeitpunkt des Abschlusses des Schuldverhältnisses zu leisten (vgl. § 269 Abs. 1 BGB). Ausnahmen davon gelten z. B. bei Geldleistungen (vgl. nachfolgenden Punkt).

Umsatzsteuerliche Auswirkungen

Die Bestimmung des Leistungsorts kann sich auf die Frage, wann eine Lieferung zu einem umsatzsteuerbaren Umsatz führt, auswirken. Denn grundsätzlich wird der Leistende (= Schuldner) einer Leistung nur frei, wenn er die Leistung am richtigen Ort erbringt.[1] Liefert ein Unternehmen einen Gegenstand nicht an den gesetzlich vorgeschriebenen oder individuell vereinbarten Leistungsort, kann er zwar dem Empfänger das Eigentum daran verschaffen, aber trotzdem verpflichtet bleiben, einen solchen Gegenstand noch einmal an den richtigen Ort zu liefern.

Hier stellt sich die Frage, ob mit einer solchen "Falschlieferung" bereits eine entgeltliche Leistung im Sinne der Umsatzsteuer erfolgt ist, m.a.W. ob dadurch bereits die Leistung umsatzsteuerbar ausgeführt wurde, obwohl die schuldrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt wurde.

Das richtet sich nach umsatzsteuerlichen Regeln. Eine Leistung ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erhält und die Verfügungsmacht gegen Entgelt eingeräumt wird.

  • 1. Alternative: Verweigert der Leistungsempfänger die Annahme des an einen falschen Ort gelieferten Gegenstandes, erhält er auch keine Verfügungsmacht daran. Die Leistung wird nicht ausgeführt, ein umsatzsteuerbarer Umsatz liegt (noch) nicht vor.
  • 2. Alternative: Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der gelieferte Gegenstand, beispielsweise von einem Mitarbeiter, der mit den Einzelheiten des Vertrages nicht vertraut ist, am falschen Lieferort tatsächlich angenommen wird. Mit der Annahme der Leistung durch einen Mitarbeiter erhält der Leistungsempfänger, für den der Mitarbeiter den Gegenstand annahm, die tatsächliche Verfügungsmacht über den Gegenstand.[2] Das bedeutet aber nicht zugleich, dass damit automatisch die schuldrechtliche Pflicht des Leistenden nach § 362 BGB erlischt.

Eine Leistung wird ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erhält und dies um der Gegenleistung willen erfolgt.[3] Ob eine solche synallagmatische Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, beantwortet sich in Zweifelsfällen nach dem Inhalt des schuldrechtlichen Vertrags.[4]

Wird eine Leistung am falschen Ort ausgeführt, hat der Leistende in der Regel subjektiv die Erwartung, seine Leistung um der Gegenleistung willen zu erbringen. Aber die Leistung an diesem Ort ist objektiv nicht geeignet, das Entgelt auszulösen. Folglich fehlt es in diesen Fällen u. E. an der synallagmatischen Verknüpfung der am falschen Ort gelieferten Leistung mit der vereinbarten Gegenleistung. Dies zeigt sich vor allem darin, dass der Leistende gegenüber dem Leistungsempfänger grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe des Gegenstandes aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 ff. BGB hat, weil für die Lieferung an den falschen Ort keine schuldrechtliche Verpflichtung bestand.

Anmerkung: Die rechtliche Behandlung solcher Fälle zeigt, wie weit zivilrechtliche und umsatzsteuerliche Regelungen miteinander verknüpft sind.

[1] Vgl. § 362 BGB; zum Erlöschen durch Leistung Palandt-Grüneberg, BGB-Kommentar, 78. Auflage 2019, § 362 Rz.. 3

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