Im Gegensatz zum Wohnsitzbegriff in § 8 AO ist mit Wohnsitz im Sinne des § 7 BGB die kleinste politische Einheit, d. h. in der Regel die Gemeinde, in der die Wohnung liegt, gemeint und nicht die Wohnung selbst.[1] Nach § 8 AO sind mit Wohnsitz im Steuerrecht die objektiv zum Wohnen geeigneten Wohnräume gemeint. Hierfür genügt eine bescheidene Bleibe. Nicht erforderlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit im Sinne des Bewertungsgesetzes.[2] Der Wohnsitzbegriff im Sinne der AO stellt allein auf die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse ab[3]; die Frage des für den zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff notwendigen Begründungswillens wird im Steuerrecht nicht gestellt.

Die Anknüpfung an die Räumlichkeiten und nicht nur an die kleinste politische Einheit macht in Steuerverfahren auch Sinn. Denn mit dem Wohnsitz im steuerlichen Sinn wird beispielsweise das für die Einkommen- und Erbschaftsteuer zuständige Wohnsitzfinanzamt bestimmt, wie § 19 Abs. 1 AO zeigt. Würde damit nur die politische Einheit festgelegt, bestünden Zuordnungsschwierigkeiten bei der Bestimmung des zuständigen Finanzamts, wenn es in einer Gemeinde, wie dies bei größeren Gemeinden häufig der Fall ist, mehrere Finanzämter gibt.

Trotzdem stimmen in der Regel der bürgerlich-rechtliche, aufgrund einer Willenserklärung des Steuerpflichtigen von ihm selbst bestimmte Wohnsitz und der steuerlich maßgebliche Wohnsitz überein. Deshalb kann die An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde im Allgemeinen als Indiz dafür angesehen werden, dass der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz unter der von ihm angegebenen Anschrift begründet oder aufgegeben hat.[4] Aber die An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde hat keine unmittelbare steuerliche Wirkung auf die Frage des Wohnsitzes im steuerlichen Sinne[5], sondern ihr kommt lediglich Indizwirkung zu. Die polizeiliche Meldung ist für den steuerlichen Wohnsitzbegriff letztendlich nicht entscheidend.[6]

 
Hinweis

Prüfung des Wohnsitzes

Nur wenn sich im Einzelfall Besonderheiten hinsichtlich des Wohnsitzes ergeben, sollte geprüft werden, ob der melderechtliche Wohnsitz mit dem steuerlichen übereinstimmt. Praktisch bedeutsam kann dies werden, wenn es beispielsweise um die Frage der doppelten Haushaltsführung, die Berechnung der Entfernungspauschale oder um die Frage geht, wem den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG zusteht, da es gem. § 24b Abs. 1 Sätze 2 ff. EStG auf die Meldung des Kindes ankommt.

[1] Palandt-Ellenberger, BGB-Kommentar, 78. Auflage 2019, § 7 Rz. 1.
[2] Vgl. AEAO zu § 8 Nr. 3.
[3] Vgl. AEAO, vor §§ 8, 9 Nr. 1 Satz 2; BFH, Urteil v. 10.11.1978, VI R 127/76, BStBl 1979 II S. 335, v. 14.11.1969, III R 95/68, BStBl 1970 II S. 153.
[4] Vgl. so die Finanzverwaltung in AEAO zu § 8 Nr. 2 Satz 2ff.
[5] Vgl. AEAO zu § 8 Nr. 2; BFH, Urteil v. 14.11.1969.
[6] BFH, Urteil v 10.11. 1978, VI R 127/76, BStBl 1979 II S. 335. Vgl. dazu auch die Entscheidung BFH, Urteil v. 20.3.2013, XI R 37/11 zur Frage des Wohnsitzes im Zusammenhang mit der Gewährung von Kindergeld.

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