Rz. 115

Unter grenzüberschreitenden Verschmelzungen werden Sachverhalte mit Auslandsbezug verstanden. Dabei werden sowohl Auslandsbezüge auf Ebene der verschmelzenden Rechtsträger, als auch auf der Ebene der Gesellschafter erfasst, mithin, wenn die Rechtsträger oder Gesellschafter die Ansässigkeit in unterschiedlichen Staaten haben oder Auslandsvermögen (z. B. Betriebsstätten) vorliegt.

 

Rz. 116

Im Zuge der Ausgestaltung der steuerbilanziellen Behandlung von Wirtschaftsgütern bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen ist zwischen Inlandsverschmelzungen mit Auslandsbezug (z. B. ausländische Betriebsstätte oder ausländische Gesellschafter), Auslandsverschmelzungen mit Inlandsbezug (z. B. inländische Betriebsstätte oder inländische Gesellschafter), Verschmelzungen von inländischen Körperschaften auf ausländische Personengesellschaften (Hinausverschmelzung) und Verschmelzungen von ausländischen Körperschaften auf inländische Personengesellschaften (Hereinverschmelzung) zu unterscheiden.

 

Rz. 117

Für die Anwendung des UmwStG ist in diesen Fällen neben dem sog. Beteiligtentest (vgl. Rz. 66) bzw. Besteuerungslückentest (vgl. Rz. 72) wesentlich, dass der Umwandlungsvorgang einem inländischen Umwandlungsvorgang entspricht (Vergleichbarkeitstest)[1] und bei Ansatz eines Wertes unter dem gemeinen Wert, die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der gehaltenen Anteile, des eingebrachten Betriebsvermögens oder der übertragenen Wirtschaftsgüter in der Bundesrepublik Deutschland "nicht ausgeschlossen oder beschränkt" sein darf (Steuersubstrat- und Entstrickungstest).[2]

 

Rz. 118

Sofern verschmelzende Rechtsträger nicht nur im Inland Einkünfte erzielen, erheben i. d. R. neben dem Ansässigkeitsstaat auch die Länder, in denen die Einkünfte erzielt werden, (beschränkte) Besteuerungsansprüche, sodass Rechtsträger einer Doppelbesteuerung unterliegen würden. Es erfolgt ein Zugriff mehrerer Staaten auf dasselbe Steuersubstrat.

 

Rz. 119

Vermeidung von Doppelbesteuerungen: Bestehen kollidierende Besteuerungsansprüche verschiedener Staaten, enthalten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) – neben unilateralen Regelungen, wie z. B. der Anrechnung oder des Abzugs der ausländischen Steuer i. S. d. § 34c EStG bzw. § 26 KStG – Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Abmilderung der Doppelbesteuerung. Dazu gehört neben der Anrechnungsmethode auch die sog. Freistellungsmethode, bei der i. d. R. der Ansässigkeitsstaat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet (Art. 23A, 23B OECD-MA).[3] Die Anwendung bzw. Existenz eines DBA kann ggf. antragsschädlich i. S. d. § 3 Abs. 2 UmwStG zu einem Ausschluss bzw. einer Beschränkung des Besteuerungsrechts führen. In Abhängigkeit der Gewinnentstehung und der Einkommensart gelten nach den sog. Verteilungsnormen des OECD-MA folgende grundlegende Zuordnungsregelungen:

Laufende Unternehmensgewinne sind grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens zu besteuern. Sind Betriebsstätten im jeweils anderen Staat vorhanden, sind die den Betriebsstätten zuordenbaren Unternehmensgewinne grundsätzlich nach dem Betriebsstättenprinzip auch im Betriebsstättenstaat zu besteuern. Es handelt sich hierbei um eine "unvollständige" Verteilungsnorm, da die Verteilungsnorm nicht abschließend für einen Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht einschränkt bzw. aufrechterhält.[4] In Abhängigkeit der Ausgestaltung der Vermeidungsnorm des Art. 23 OECD-MA wird eine Doppelbesteuerung dann durch Anrechnung oder Freistellung vermieden. I. d. R. erfolgt eine Freistellung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte im Ansässigkeitsstaat und der Betriebsstättenstaat kann sein Besteuerungsrecht ausüben.

Veräußerungsgewinne aus der Übertragung von unbeweglichem Vermögen i. S. d. Art. 6 OECD-MA einer Betriebsstätte sind dem Belegenheitsprinzip folgend im Belegenheitsstaat zu versteuern. In Abhängigkeit der Ausgestaltung der Vermeidungsnorm des Art. 23 OECD-MA wird eine Doppelbesteuerung dann durch Anrechnung oder Freistellung vermieden.

Veräußerungsgewinne aus der Übertragung von beweglichem Vermögen einer Betriebsstätte sind ebenfalls nach dem Betriebsstättenprinzip zu behandeln. Das Abkommensrecht stellt einen eigenen Rechtskreis dar, sodass Begriffe grundsätzlich autonom ausgelegt werden müssen.[5] Unter beweglichem Vermögen sind alle Wirtschaftsgüter zu subsumieren, die nicht unbewegliches Vermögen i. S. d. Art. 6 OECD-MA darstellen. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA erfasst daher auch Anteile an Kapitalgesellschaften im Betriebsvermögen einer Betriebsstätte.[6]

Veräußerungsgewinne aus der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen dürfen i. d. R. ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters besteuert werden, sodass der andere Staat diese Gewinne nicht besteuern darf. Es liegt eine vollständige bzw. abschließende Verteilungsnorm vor.

 

Rz. 120

Daraus lässt sich folgendes hinsichtlich grenzüberschreitender Verschmelzung ableiten:

Inlandsverschmelzungen mit Au...

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